Gerettet von deiner Liebe
…“ Sie stockte. „Damit will ich keine Kritik an Ihren Eltern üben, Mr. Trevenen. Du liebe Güte, Sie halten mich gewiss für taktlos.“
„Aber nein, wo denken Sie hin, Mrs. Park?“, widersprach er energisch. „Nicht jeder Mann eignet sich zum Seefahrer. Aber mir gefiel dieses Leben.“
Sie näherten sich dem Herrenhaus von der Rückseite, schlenderten durch einen geometrisch angelegten Garten nach französischem Vorbild, in dem ein paar Gärtner die Beete für den Winter vorbereiteten. Alle hoben die Köpfe und winkten Susannah und Noah zu. Die beiden erfreuen sich allgemeiner Beliebtheit, wie ich sehe, dachte James, und auch ich finde sie ausgesprochen sympathisch, obgleich ich sie noch keine halbe Stunde kenne.
Eine Frage, die ihn schon während der Fahrt von Cornwall nach London beschäftigt hatte, kam ihm nun wieder in den Sinn. „Mrs. Park, wissen Sie vielleicht, warum Ihr Patenonkel mich bereits zwei Wochen vor der Verleihung der Copley-Medaille zu sich eingeladen hat?“
Susannah runzelte die Stirn.„Ich bin mir nicht sicher, Mr. Trevenen, aber ich nehme an, er will mit Ihnen über die Südsee reden.“
„Ich fürchte, meine Geschichten sind weniger unterhaltsam als langweilig. Das Thema wäre gewiss an einem, höchstens zwei Abenden erschöpft.“ Er neigte sich ihr zu und hoffte, nicht zu vertraulich zu wirken. „Ich kann ihm alle Pflanzen aufzählen, die ich gekaut und wieder ausgespuckt habe, und etwa fünfhundert Arten, Kokosnüsse zuzubereiten.“ Er hob die Hände in einer hilflosen Geste. „Seeleute sind keine großen Redner, Mrs. Park.“
„Unsinn.“
„Sie sind zu gütig.“ James machte eine Pause. „Niemand verehrt Sir Joseph Banks und unseren großen Captain Cook mehr als wir Seefahrer.“ Er merkte selbst, dass seine Worte beinahe wie die eines ehrfürchtigen Kindes klangen.
„Wenn Sie fünf Jahre auf einer gottverlassenen Insel überlebt haben, brauchen Sie keine Angst vor Sir Joseph zu haben.“
Und so war es auch. James wusste nicht, was er erwartet hatte, gewiss aber keinen beleibten, an den Rollstuhl gefesselten alten Mann, der sehr leidend wirkte; nur seine dunklen Augen glänzten wach und lebendig.
Susannah stellte den Gast ihrem Patenonkel vor, und James war gerührt von der liebevollen Verehrung in ihrer Stimme.
Er verneigte sich. „Sir Joseph, Sie kennenlernen zu dürfen, ist mir eine größere Ehre als die Auszeichnung der Copley-Medaille. Ich verehre und bewundere Sie seit vielen Jahren.“
Der alte Herr neigte den Kopf beinahe unmerklich zu einem Stuhl in der Nähe. „Nehmen Sie Platz, Lieutenant.“ Mit einem Blick zu seinem Patenkind fügte er hinzu: „Susannah, sag Dorothea Bescheid, dass wir eine kleine Erfrischung wünschen.“
Susannah drückte Sir Joseph einen Kuss auf die Stirn und verließ das Zimmer.
Der große Forscher und Wissenschaftler schwieg einen Moment, und James war zu beeindruckt, um die Stille in dem sonnendurchfluteten Salon zu brechen. Schließlich sah sein Gastgeber ihn an. „Lieutenant Trevenen – Verzeihung, Mr. Trevenen –, ist sie nicht ein Schatz?“
James hoffte, seine Verblüffung wäre ihm nicht allzu deutlich ins Gesicht geschrieben. „Ja … in der Tat, Sir Joseph.“ Als der alte Herr schwieg und ihn lediglich mit belustigt funkelnden Augen musterte, stotterte James weiter: „Ich … ich wundere mich nur, wieso eine so bezaubernde junge Frau nicht wieder geheiratet hat.“
Was rede ich denn da?, fragte er sich peinlich berührt.
Sir Joseph hatte die Güte, keine Bemerkung über seine Verlegenheit zu machen. „Vielleicht wird Sie es Ihnen erzählen, Mr. Trevenen. Darf ich Sie James nennen?“
„Aber gerne, Sir“, antwortete er schüchtern wie ein frischgebackener Kadett.
„Gut, James. Ich halte nicht viel von Förmlichkeiten. Sie haben eine ausgezeichnete Abhandlung verfasst.“
„Vielen Dank.“
Wieder schwieg der alte Herr und musterte ihn prüfend. „Wahrscheinlich fingen Sie an zu schreiben, um nicht wahnsinnig zu werden.“
James stutzte. „Woher wissen Sie das, Sir?“
„Ich kenne diese Inseln. Sie sind wunderschön anzusehen, aber tödlich, wenn man dort gestrandet ist. Bereits nach einigen Wochen auf Otaheite fragte ich mich, ob das Paradies wirklich ein Ort ist, nach dem wir uns sehnen sollten.“
Die beiden Männer tauschten wissende Blicke.
„Sir Joseph, wollen Sie tatsächlich in den nächsten zwei Wochen Erinnerungen an die Südsee mit mir austauschen?“
„Nur zum Teil“,
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