Gerettet von deiner Liebe
er eine Handvoll Nüsse und Rosinen vor sich auf die Decke.
Sie beugte sich vor und nahm sein Gesicht zwischen ihre beiden Hände, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. „James, auf dieser Insel gibt es Essen im Überfluss. So viel, dass wir Reste sogar wegwerfen. Seien Sie unbesorgt, Sie müssen nie wieder Hunger leiden.“
Zu ihrer Verblüffung füllten seine Augen sich mit Tränen. Gütiger Himmel, was tue ich bloß?, dachte sie bestürzt. Sie wollte ihm ihre Hände entziehen, aber er hielt ihre Handgelenke fest. So saßen sie einige Sekunden, dann holte er tief Luft und stieß den Atem hörbar aus, bis er sich beruhigt hatte. Erst dann gab er sie frei.
„Verzeihen Sie“, murmelte er. „Ich dachte nicht, dass die Zeit in London so schwer für mich wird.“ Wieder kam er in dieser schwungvoll geschmeidigen Bewegung auf die Beine, die sie faszinierte. „Ich kehre nach Cornwall zurück.“
Sie erhob sich ebenfalls. „In weniger als zwei Wochen werden Sie mit der Copley-Medaille ausgezeichnet.“
„Sie sollen das verdammte Ding behalten.“
Susannah rüttelte ihn abermals an den Schultern. „Nein. Sie haben die Auszeichnung verdient. Ihrer Abhandlung ist brillant. Man sollte Ihnen die Mitgliedschaft in der Royal Society anbieten.“ Sie hielt ihn an beiden Schultern fest. „Ich weiß nicht, was auf dieser Insel geschehen ist. Ich weiß nicht einmal, ob Ihre Qualen dort begonnen haben. Sie haben die bemerkenswerte Gabe, Fragen auszuweichen. Aber eines ist mir klar. Sie mögen ein schiffbrüchiger Marineoffizier gewesen sein, aber als Sie begannen, die kleine Gloriosa zu studieren, haben Sie sich zum Wissenschaftler entwickelt.“
Plötzlich lag er in ihren Armen und hielt sie umschlungen. Sie spürte seinen sehnigen Körper, schmiegte sich an seine Wärme, und ein seltsames Prickeln durchströmte sie. Etwas in ihrem Kopf befahl ihr, sich augenblicklich aus dieser unschicklichen Umarmung zu lösen, doch sie stellte sich taub.
Schließlich löste sie sich von ihm, trat einen Schritt zurück und merkte, dass James sie aufmerksam beobachtete. Gütiger Himmel, dachte sie, dieser Mann hat jahrelang Krustentiere erforscht, und nun studiert er mich mit einem ähnlichen wissenschaftlichen Interesse. Dieses Spiel muss augenblicklich aufhören.
„Ich hoffe, Sie fühlen sich besser, Mr. Trevenen“,sagte sie höflich reserviert.
Er machte ein langes Gesicht. „Ich dachte, wir hätten uns auf James geeinigt.“
„Das ist vielleicht keine gute Idee, Sir“, entgegnete sie, bedauerte jedoch sofort ihren förmlichen Ton und berührte seinen Arm. „Tut mir leid. Ich versprach, Sie James zu nennen, nicht wahr?“
Er nickte.
„Gut, dann soll es James sein“, lenkte sie ein und nahm ihn in einer spontanen Gefühlsaufwallung bei der Hand. Armer Mann, dachte sie. Es war so lange her, seit er die Zärtlichkeit einer Frau verspürt hatte, deshalb hatte er sich in ihren Armen so verkrampft! Gab es denn keine geeignete Frau für ihn in Cornwall?
16. KAPITEL
James kam sich zwar kindisch vor, darauf zu bestehen, seine Zeichnung der Gloriosa nicht im Tropenhaus zurückzulassen, aber zu seiner Erleichterung erhob Susannah keine Einwände, legte das Blatt in ihre Zeichenmappe und nahm sie mit nach Spring Grove.
Ihre heitere Gelassenheit ließ ihn an die beschaulichen Tage auf seiner Insel denken, in denen die Luft friedlich zu summen schien. Das Schicksal hatte dieser Frau übel mitgespielt, die ihr Los geduldig trug. Sie lebte in bescheidenen finanziellen Verhältnissen; ihr einziges Einkommen bestand wohl aus dem Geld, das Sir Joseph ihr für ihre Aquarelle zukommen ließ. Das Anwesen der Aldersons war in keinem sonderlich guten Zustand, kein Wunder mit einem Verrückten als Familienoberhaupt, der sich um nichts kümmerte. Zudem war Susannahs Ruf befleckt, wenn auch schuldlos, wodurch ihre Chancen auf eine zweite Heirat jedoch verschwindend gering waren. Wenigstens hatte ihre Schwester nun vorübergehend eine sinnvolle Beschäftigung. Aber wie würde es weitergehen, wenn Loisa nach Sams Genesung wieder in Alderson House einzog? Beschämt stellte James fest, dass er bisher nur daran gedacht hatte, seinen Aufenthalt in London möglichst unbehelligt zu überstehen. Susannah aber war gezwungen, die kühle Atmosphäre in ihrem Elternhaus weiterhin zu ertragen, und dennoch schien sie sich klaglos in ihr Schicksal zu fügen.
Wenn er es sich recht überlegte, konnte er sich nichts Angenehmeres vorstellen, als an der Seite
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