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Gerettet von deiner Liebe

Gerettet von deiner Liebe

Titel: Gerettet von deiner Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CARLA KELLY
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redete mit keiner Menschenseele darüber, schaffte es sogar, die grauenvolle Geschichte bis zu diesem Moment zu vergessen.
    „Sie beschlossen, Billy Bright zu essen. Das ist Brauch unter Schiffbrüchigen“, flüsterte sie tonlos.
    Loisa entfuhr ein Schreckenslaut. Susannah atmete tief und drehte die Seite um. „‚Bright tot. Tim schnitt ihn in Streifen. Ich warf Kopf über Bord. Tim protestierte. Ertrage den Anblick von Brights Gesicht nicht. Gott steh mir bei. Verzehrte ein Bein.‘“
    Loisa wandte sich ab, hielt sich die Hände an den Mund und beugte sich vor.
    „Ich muss weiterlesen“, sagte Susannah mit einer Stimme, die ihr selbst fremd war. Loisa nickte, ohne sich umzudrehen.
    Sie las jeden knappen Eintrag und begann, Mr. Trevenens nächtliche Wahnvorstellungen besser zu verstehen. Timothy Rowe, der Schiffszimmermann, schien Geschmack an Menschenfleisch gefunden zu haben. Nachdem sie ihren ersten Hunger an dem Matrosen Bright gestillt hatten, während das Boot hilflos in den Strömungen des Südpazifiks trieb, hatten Mr. Trevenen und Walter Shepherd sich geweigert, noch einen Bissen von ihrem Kameraden anzurühren. Aber Tim war nicht davon abzuhalten, Billy Bright bis auf die Knochen abzunagen. Danach begann er, die beiden lebenden Skelette zu belauern.
    Die leichenblasse Loisa hatte sich wieder ein wenig gefasst und las gemeinsam mit Susannah schweigend weiter, bis sie tonlos murmelte: „Schlimmer kann es nicht mehr werden, Susannah.“
    Doch es wurde noch schlimmer. Halb betäubt dachte Susannah an Sir Josephs Warnung und an Sir Richards Widerstreben, den Schwestern Einblick in die Aufzeichnungen zu gewähren.
    Da James’Schrift immer unleserlicher wurde, hatte Susannah jede Zeile mit dem Finger nachgezogen. An einer Stelle nahm sie den Finger weg, unfähig, die Schrift zu berühren.
    Als Lieutenant Trevenen das Bewusstsein wiedererlangte – er nannte den Zustand nicht mehr Schlaf –, verschlang Tim Walter Shepherd, der noch nicht einmal tot war.
    „Gütiger Himmel“, hauchte Susannah. „Wie entsetzlich.“
    Sie wollte aufspringen und zurück nach Alderson House laufen, zu ihren verrückten Eltern und ihrem eintönigen Leben. Sie wollte nur fort von hier, bis sie sich besann und sich vor Augen hielt, dass James Trevenen jede Sekunde seines Lebens mit diesem Grauen leben musste.
    Loisa war aus dem Raum gestürmt und übergab sich im Flur in einen Abfallkübel. Susannah wollte ihr folgen, doch die Sanduhr füllte sich rasch. Dein Dämon fand Gefallen daran, Menschenfleisch zu verzehren, dachte sie, kam dadurch wieder zu Kräften, während du mit jeder Stunde schwächer wurdest.
    Es gab keine weiteren täglichen Eintragungen, nur das Datum und ein paar Wörter, die Susannah ausreichten, um die Geschichte zusammenzufügen. Die beiden überlebenden Männer kauerten jeder an einem Ende des Bootes, einer im Heck, der andere im Bug, Tim war umgeben von verwesendem Menschenfleisch und Knochen, und James hatte die Ruder quer vor sich gelegt und eine Pistole auf den Knien.
    Inzwischen war Loisa wieder hereingekommen. Mit einem Blick eiserner Entschlossenheit drehte sie die Sanduhr um, die abgelaufenwar, und blockiertedie Tür, als der Archivar versuchte, sich Zutritt zu verschaffen. Nach einer Weile entfernte er sich wieder und murmelte etwas von „Portier holen“ und „verrückte Frauenzimmer“.
    „Beeil dich, Susannah“, drängte sie. „Gleich werden wir hinausgeworfen.“
    Es gab nicht mehr viel zu lesen. Der Eintrag vom 31. August war eine Frage: „Wie lange noch?“ Der Eintrag vom 1. September war kürzer: „Land“. James hatte das Wort unterstrichen. Susannah prüfte die verblichene Handschrift genauer. Da standen noch zwei oder drei Wörter, möglicherweise so etwas wie „vielleicht jetzt“, aber dann zog die Feder einen fahrigen Strich quer über die Seite. Möglicherweise war das Boot auf Sand gelaufen.
    Susannah atmete tief und stieß die Luft langsam aus. Vielleicht aber hatte Timothy Rowe, der geistig verwirrte Menschenfresser, auch endlich die Ruderbarriere überwunden, als er glaubte, sein Lieutenant sei mit der Aufgabe beschäftigt, die Ereignisse, alltägliche und unerträglich monströse, niederzuschreiben.
    Erschöpft klappte Susannah das Logbuch zu. Sie wusste, dass sie nicht aufstehen konnte, und versuchte es erst gar nicht, obwohl draußen im Flur Schritte laut wurden. Loisa war auf den Beinen, um sich schützend vor ihre Schwester zu stellen.
    In der Sekunde, bevor die

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