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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Josef Rossi.
    Er war, soweit die Polizisten das von außen beurteilen konnten, nicht zu Hause.
    Sein Name stand auf der Liste der Mitglieder rechtsradikaler Parteien und seine Telefonnummer in einem Notizbuch von Norbert Scholze. Polizeilich registriert war er bisher nicht. An seinem Arbeitsplatz in einem großen Möbelhaus fehlte er unentschuldigt. Weder sein Chef noch seine Kollegen hatten eine Ahnung, wo er steckte.
    »Sehen Sie, Herr Funkel«, sagte Freya Epp und legte ihm einen dicken Terminkalender hin, den sie aus Katharina Wagners Wohnung mitgenommen und in den letzten zwei Stunden Seite für Seite, Zeile für Zeile gelesen hatte. »Hier steht ein abgekürzter Name, Jos., und drunter diese Nummer.«
    Funkel sah sich die Eintragung an. Die Nummer war dieselbe, die er gerade zwecklos angerufen hatte. Er griff zum Telefon.
    »Wir öffnen die Wohnung, Gefahr im Verzug!« Kaum hatte er aufgelegt, klingelte es.
    Ein Kommissar, der sich in der Nähe von Rossis Wohnung befand, meldete, dass seine Zielperson seit ein paar Minuten um das Haus streiche und schon mehrmals bei Rossi geklingelt habe.
    »Halten Sie ihn fest!«, sagte Funkel.
    Als er hinkam, führte ihn sein Kollege zu einem Auto, in das sie den Mann gesetzt hatten. Funkel stieg ein.
    »Hallo«, sagte er.
    »Hallo«, sagte Florian Nolte.

18   17. August, 15.33 Uhr
    » S ie sind eine ausgezeichnete Frau, ich mach mir keine Sorgen um Sie, wir sind jetzt eine Kameradschaft, Sie und ich, wir sind jetzt allein.«
    Sie drehte den Kopf in seine Richtung, das Geschirrtuch über den Augen, den Knebel im Mund.
    »Möchten Sie sprechen?« Sie nickte vorsichtig.
    Von ihren Füßen bis hinauf zu ihrer Stirn floss ein Strom aus Eis, sie hörte es klirren unter der Haut, sie dachte, wenn er den Knebel wegnimmt, dampft es aus meinem Mund wie bei zwanzig Grad unter Null.
    »Möchten Sie wirklich sprechen?«, fragte er noch einmal und sie erkannte ihn jetzt. Sie hatte ihn vergessen gehabt, ihn und jenen beunruhigenden Morgen in ihrem Haus. Sie hatte sein Gesicht vergessen gehabt, die roten Flecke unter seiner Nase, die Abschürfungen, den Geruch nach ungelüfteter Kleidung. Seine Kleidung. Er trug eine braune Hose und ein schwarzes Hemd, fiel ihr ein, und weiße Socken, er war Verkäufer und er hatte zu ihr gesagt, sie solle sich das noch einmal überlegen, ihre Verlobung mit Chris, mit Chris… Wo bist du? Sie erschrak.
    Der Raum war hell, ein Licht brannte, eine Lampe an der Decke. Natalia fand, das Gesicht des Mannes hatte eine gelbliche Farbe, seine Lippen waren schmal und rissig, seine Haut war ungepflegt. Brauchte dringend eine Massage mit dem Frimator, dachte sie, als wäre das wichtig, sie dachte wie selbstverständlich daran. Mit ätherischen Ölen ist vielleicht noch was zu machen, dachte sie, und dann bemerkte sie, dass auch ihre Lippen trocken und krustig waren.
    Den Moment, in dem er ihr das Tuch von den Augen und den Knebel aus dem Mund nahm, hatte sie wie abwesend wahrgenommen. Was hatte er gesagt? Oder kam die Stimme aus der Eiszeit?
    »Sie wollten sprechen, tun Sie es!«
    Sie nickte wieder, automatisch, mechanisch. Und doch – und schlagartig war sie sich bewusst, was sie tat – wollte sie, dass er sie ansah. Sie wollte, dass er von nun an bei ihr blieb, nah bei ihr, dass sie seine Pusteln sehen konnte und er ihre Falten, sie seine Rötungen und er ihre Altersflecke, sie seine Fadenlippen und er ihren Feuermund.
    »Bleiben Sie bei mir!«, sagte sie mit welker Stimme. Er schniefte und hielt sich den Handrücken an die Nase.
    »Sie erfüllen einen Zweck, Frau Horn«, sagte er. »Ich möchte, dass Sie sich umziehen, ich möchte, dass Sie eine weiße Bluse anziehen und einen Rock, und wenn wir so was hier nicht finden, dann ziehen Sie ein weißes Hemd und eine Hose an. Sie sollen anständig aussehen, nicht so zerrissen, verstehen Sie das?«
    »Was passiert mit mir?«
    Sie sah ihn eindringlich an. Ihr Blick störte ihn, er drehte den Kopf ein wenig zur Seite, ließ sie aber ebenfalls nicht aus den Augen.
    »Das, was passieren muss«, sagte er und stand auf.
    »Geben Sie mir Ihre Hände!«
    Ihre Handgelenke waren noch immer mit einer weißen Kordel aneinandergebunden. Sie hob die Arme. Er griff nach ihren Händen und beugte den Oberkörper nach vorn. Wie Blitze zuckten die Schmerzen in ihr.
    »Schneller!«, sagte er.
    Sie brauchte eine Minute, bis sie auf der Bettkante saß. Der Boden unter ihren Füßen bestand aus Holzbohlen, sie hob den Kopf und sah sich um:

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