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German für Deutsche

German für Deutsche

Titel: German für Deutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Wueller
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» Plätzen« statt von » Orten« spricht? Wenn der Deutsche von den englischen places zu deutschen » Plätzen« animiert wurde, sollte uns das schließlich sehr wurscht sein, wenn dabei nichts Unverständliches oder grammatisch Inkorrektes herauskommt.
    Schauen wir erst einmal in die Google-Fundstellen-Statistik:
    » An den schönsten Plätzen« von was auch immer findet sich etwa 50 Prozent häufiger als » an den schönsten Orten«. Die Feststellung, dass da sprachliche Vorherrschaften entstehen, ist also richtig. (Ob der Wandel dramatisch ist, weiß niemand; dazu müsste man die Vorkommnisse der letzten 50 Jahre alle Jahre wieder zählen können; das wäre ein üppiges Forschungsprojekt.)
    Engl. place und dt. » Platz« haben eine gemeinsame Vorgeschichte: Beide Sprachen bedienen sich beim altfranzösischen place. Dahinter steckt das mittellateinische placea (das Fremdwort » Plazenta« für » Mutterkuchen« ist davon abgeleitet), sodann lateinisch platea. Die Römer meinten damit eine breite Straße oder einen größeren Freiraum in der Stadt, im oder hinter dem Haus. Es geht also im Kern um innerstädtischen Freiraum.
    Sowohl die Engländer als auch die Deutschen haben sich um diesen Bedeutungskern wenig geschert. Place als auch » Platz« haben einen riesigen metaphorischen Raum besetzt; sind also Allerweltswerkzeuge, um übertragenen Sinn zu transportieren. » Ich will mit Freud und Lust … den blumenreichen Platz des Frühlings übersehen«, schreibt im 17. Jahrhundert der deutsche Barockdichter und Sprachgelehrte Justus Georg Schottelius. Wir nehmen heute unseren Platz im Leben ein, geben Bedenken keinen Platz und setzen auf Platz oder Sieg. Nebenbei: Wenn wir vor Wut platzen, bedienen wir uns aber eines onomatopoetischen (oder lautmalerischen) sehr deutschen Wortes, das von einem Substantiv abgeleitet wurde, das einen klatschenden Schlag schon klanglich bedeuten sollte.
    Halten wir fest: Spricht der Engländer von touristischen places, liegen wir heute weder mit » Ort« noch mit » Platz« falsch. Der Platz war im Deutschen schon immer weit mehr als nur ein städtischer Platz.
    Aber ist das deutsche » Ort« vielleicht angemessener als irgendein » Platz«? Beim gegenwärtigen Wortgebrauch spricht nichts dafür. Ein Vergleich im Digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache (dwds.de) macht das sehr deutlich. Der synonyme Bereich beider Bedeutungsfelder ist groß. Man kann nichts falsch machen, ganz gleich wie Ort oder Platz beschaffen sein mögen.
    Gehen wir auf ältere Bedeutungen zurück, so ist » Ort« im touristischen Bedeutungsfalle aber weit schlechter geeignet als » Platz«. Im Mittelhochdeutschen bezeichnete » Ort« eine scharfe, spitze Waffe, auch eine Schusterahle. Erst im übertragenen Sinne wurde daraus eine Ecke oder ein Winkel, zunächst im geometrischen, später im allgemeineren Sinne als eher beengte Wohnstätte des Menschen ( » In was für einem Winkel wohnst denn du?«, kann man noch heute befremdet fragen.)
    Da könnte ein etymologisch begründender Sprachbewahrer den Rat zur Nutzung von › Platz‹, statt von » Ort« geben. Der zufällige Anglizismus ( places zu › Plätze‹) wäre zugleich ein richtiger Wechsel von › Ort‹ zu › Platz‹. Aber muss uns die alte Etymologie von » Ort« beim heutigen Gebrauch scheren? Nicht, wenn es heute keine Missverständnisse gibt. Etymologie erhellt Bedeutungsverschiebungen; sie zwingt uns aber nicht zur Korrektur unseres aktuellen Wortgebrauchs.
    Wie kriegen wir das Ort-Platz-Dilemma jetzt unter einen Hut? Mit einem Ausweichmanöver. Dazu nochmals zurück ins alte Rom: Wollte der Lateiner von einer Ortschaft, einem größeren, ländlichen Grundstück oder schlechthin einer Gegend sprechen, griff er nicht zu platea , sondern zu locus (ja, alles Lokale und auch unser stiller Lokus stammen daher).
    Entscheidendes hat der Lateiner mit einer Ableitung geschaffen: location. Das basiert auf locare, was oft mit » gründen« oder » errichten« zu übersetzen ist. Was macht einer, der etwas errichtet hat? Er vermietet oder verpachtet es. Lat. locatio heißt deshalb auch » Vermietung« oder » Verpachtung«. Und das kennen wir praktischerweise bereits als Anglizismus: Eine Location war zunächst der Ort außerhalb des Produktionsstudios, an dem eine Filmszene gedreht wurde. Und ist heute bei uns so ziemlich alles, wo es irgendwie nett, geil, super, trendy oder sonst wie erlebnispositiv abgeht. Aber immer gegen Entgelt. Bitte festhalten.
    Und

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