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Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)

Titel: Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Nährig
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Restaurant und bitten um ihren bestellten Fenstertisch. Ich suche in meinem Reservierungsbuch und finde weder Namen noch Tisch. Mein Kopf raucht.
    Schon durchschneidet eine scharfe Stimme die Luft, und die Brünette mit den blonden Streifen im Haar sagt im tadelnden Tonfall zu der mit dem rötlichen Haar: »Hast du dir nicht den Namen geben lassen bei der Tischbestellung?« Sie musste verneinen. Hätte sie den Namen desjenigen sagen können, der die Bestellung entgegengenommen hatte, hätte ich zwar gewusst, wer den Fehler gemacht hat, es würde meine Situation aber dennoch nicht erleichtern. Mit aller Mühe habe ich für die vier Damen schließlich einen Tisch frei machen können, indem ich sie auf einen Cocktail einlud und um etwas Geduld bat. So weit, so gut.
    Als sie den Tisch dann hatten, dieser aber nicht am Fenster stand, ging’s erst richtig los. Bei vier gestandenen Damen hat man da wenig Chancen. Jedenfalls nicht bei diesen. Was auch immer ich versuchte, Gutes zu tun, es gelang mir nicht, die Damen gutzustimmen. Auch Luigi, der junge italienische Kellner, den ich bei solchen »Härtefällen« einzusetzen pflegte, konnte nichts erreichen. Der Charme seiner funkelnden lapislazuliblauen Augen verpuffte wirkungslos und auch sein liebenswürdigstes Valentino-Lächeln vermochte die Damen nicht zu erweichen. Ich war verzweifelt. Eine dunkelhaarige, zirka fünfzigjährige Dame mit leichtem Bartanflug auf der Oberlippe, den sie mit Schminke zu übertünchen suchte, war besonders hartnäckig. »Wie kann das in so einem Hotel passieren?«, fragte sie mich in Abständen von zehn Minuten.
    Nach einiger Zeit hatte ich die Blitzidee, bei Herrn Kopf, meinem Kollegen im Hotel Atlantik, anzurufen, um zu fragen, ob denn vielleicht dort eine Reservierung auf den besagten Namen vorliege. »Ja«, bestätigte der Oberkellner, »wir warten schon seit einer Stunde auf die Gäste.«
    Eines meiner Prinzipien lautete immer: den Gast nie brüskieren. Ihn nie vor den Kopf stoßen, sondern immer einen Ausweg lassen, ein Hintertürchen, wodurch sich das Ganze zu guter Letzt doch noch so drehen und wenden lässt, dass es den Anschein hat, die Schuld liege bei uns, auch wenn er ganz genau weiß, dass es sein eigener Fehler war. Er soll ja wiederkommen. Dieses Mal kann ich meinem Prinzip nicht restlos treu bleiben. Beim Dessert gebe ich den Damen nebenher kund, dass ich ihren Tisch im Hotel Atlantik abbestellt habe und dass es mir nach wie vor sehr leid tue, dass ich ihnen keinen Tisch am Fenster habe anbieten können.
    Die Gesichter der Damen verfärben sich ein wenig und ich sehe entschuldigende Blicke. Nur die ganz Bissige murmelt immer und immer in sich hinein: »Das kann ich mir nicht vorstellen, das kann ich mir einfach nicht vorstellen.«
Wir haben ein Geburtstagskind
    Eine spezielle »Schlaufüchsigkeit« verschiedener Gäste ist mir sehr lieb geworden, da ich sie mir gut selbst zunutze zu machen wusste. Wenn sie einen Tisch bestellen, lassen sie es sich nicht entgehen zu erzählen, dass sie Hochzeitstag, Geburtstag, Abiturfeier oder auch Verlobung feiern. Sie hoffen, dadurch einen besonders schönen Tisch und eine Aufmerksamkeit des Restaurants zu bekommen. Ich hatte vor vielen Jahren eingeführt, dass wir für solche Anlässe immer kleine Bridgetorten vorrätig haben, um dem Gast zu zeigen, wie sehr wir an seinem wichtigen Tag interessiert sind und daran teilhaben. Dazu gibt es auch noch eine besonders schöne Blumendekoration auf dem Tisch, die sich von der sogenannten »normalen« Dekoration an den anderen Plätzen abhebt.
    Oft kommt es dann aber vor, dass solche Leute, wenn sie zu einem besonderen Festtag wiederkommen und es, aus welchen Gründen auch immer, nicht wieder eine Torte gibt wie beim letzten Mal, nun zu Tode beleidigt sind, als sei die Sache mit der Torte eine selbstverständliche Pflicht, auf die sie ein Anrecht hätten. Wie heißt es im Sprichwort so treffend: Gibt man ihnen den kleinen Finger, wollen sie gleich die ganze Hand.
    Wie dem auch sei, ich habe von diesem Wunsch zur Sonderbehandlung durch demonstratives Nennen des besonderen Anlasses jedenfalls stets auf meine eigene Weise Gebrauch zu machen gewusst, indem ich mir, wie eingangs bereits geschildert, Datum und Anlass notierte, um dann meine jährlichen Briefe zu schreiben. Habe im Gegenzug meine Schlaufüchsigkeit ausgepackt.
    Verwirrungen im hohen Maße gab es allerdings, wenn Gäste zwar bei der Reservierung erwähnten, dass sie Hochzeitstag oder einen

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