Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
anderen Festtag hätten, aber hinzufügten, niemand solle es wissen. Und dies dann auch noch am Abend selbst wiederholten: »Aber es soll ja niemand wissen.« Da ist guter Rat teuer. Ebenso habe ich viele Male erlebt, dass Gäste – in diesem Fall meist Herren – diverse Titel haben, sei es Professor, Doktor, Konsul oder Senator, diese auch bei der Bestellung kundtun, zugleich aber betonen, dass sie damit jedoch nicht angesprochen werden möchten. Was soll man als dienstbarer, auf Korrektheit Wert legender Geist nun tun, um es richtig zu machen?
Nehmen Sie doch einen Mundschutz!
Der Grill ist voll besetzt. Einige Gäste warten in der Hotelhalle auf einen freien Tisch. Eine Dame, nennen wir sie Frau Dr. Meier-Müller, um die achtzig Jahre, blausilbriges, zu einer Art Turban frisiertes Haar, blauer Pelzmantel, betritt in Begleitung einer etwas jüngeren Frau das Restaurant. Den Kleidungskennerblick aktiviert, komme ich zum Schluss: Die Jüngere ist wohl die Pflegerin. Bis dahin alles im grünen Bereich.
Die erste Speise wird serviert und, ohne zu probieren, zurückgeschickt. Das geht so weiter. Ist nicht angenehm, aber dafür ist es der Jahreszeiten-Grill, der es sich stets zum Ziel gesetzt hat, auch die anspruchsvollsten und schwierigsten Gäste letztendlich zufriedenzustellen. Nach und nach werden einige Tische frei, worüber ich froh bin; es warten noch Gäste auf einen freien Platz. Schnell werden die Tische mit neuen Tischdecken versehen, neu gedeckt und die Gäste platziert. Die beiden Damen blicken immer grimmiger und schließlich bellt mich Frau Dr. Meier-Müller harsch an, wir sollen das Wechseln der Tischdecken gefälligst unterlassen, vom Aufwirbeln des Staubes würde sie krank. Daraufhin biete ich ihr an: »Nehmen Sie doch einen Mundschutz oder gleich eine Maske, das wäre für uns alle von Vorteil.«
Meine Ironie begriff sie leider nicht.
Ist der Fisch frisch?
Die schweren Goldketten, welche die etwas ältliche, sehr vollschlanke Dame um den Hals trägt, hört man schon von weitem klirren und klimpern. Ihre etwas behäbige Gangart schallt ihr sozusagen voraus. Langsam, wie ein Verhängnis, bewegt sie sich Schritt für Schritt vorwärts. Als sie dann leibhaftig vor mir steht, in wallenden, dunkelroten, bodenlangen Leinenkleidern, muss ich unwillkürlich an Klytämnestra, die Gattenmörderin aus der griechischen Mythologie, denken. Sie bittet um die Speisekarte, um sich über unser Angebot zu orientieren. Während sie mit etwas Mühe versucht, darin zu blättern, teilt sie mir mit, dass sie zum ersten Mal in Hamburg sei.
Wenn sie umblättert, wippt die herabhängende Haut des Oberarms wie eine Schaukel. Nach einiger Zeit des Kartenstudiums fragt sie, ob das angebotene Mittagsmenü zu empfehlen sei. Worauf ich antworte, dass alles auf der Speisekarte zu empfehlen sei. Wenn es nicht so wäre, würden wir es nicht auf die Speisekarte setzen, das sei so unser Prinzip. Eine kleine Weile später hakt sie nach: »Ist der Fisch auch frisch?« Diese Frage finde ich nun doch etwas ungeschickt von der Dame, worauf ich antworte (ich konnte nicht anders): »Normalerweise schon, aber auf besonderen Wunsch kann ich Ihnen auch einen alten Fisch servieren.«
Ob sie verstanden hat, weiß ich bis heute nicht.
Die schandbare Butter
Allergien und sonstige Lebensmittelunverträglichkeiten bedeuten für die von ihnen betroffenen Menschen eine Einschränkung ihrer Genussmöglichkeiten in Hotels und Restaurants. Aufgabe des Personals ist es, ihnen ihren Aufenthalt dennoch so angenehm wie möglich zu machen. Eine Laktose-Intoleranz oder eine Zöliakie muss berücksichtigt werden. Auf solche Unverträglichkeiten ist jedes gute Hotel eingestellt und hat entsprechende Vorbereitungen getroffen.
Für diese Rücksichtnahme sind die meisten Gäste dankbar. Daneben gibt es jedoch auch eine Gruppe von Patienten, die auf ihre Krankheit in gewisser Weise sogar stolz scheinen. Schon bei der Zimmerreservierung erklären sie allen und jedem ihre Krankheit; legen jedem, den es interessiert oder nicht interessiert, detailliert dar, wie wichtig es sei, dass auch alle es wissen; setzen förmlich voraus, dass sich jeder Angestellte im Hotel damit beschäftigt. Das ist nicht nur häufig lästig, sondern auch unnötig, da, wenn wir Gäste mit derartigen Beeinträchtigungen haben, ohnehin an alle betroffenen Mitarbeiter Rundschreiben oder Mails ergehen, die sie auf die jeweils nötigen Vorkehrungen aufmerksam machen.
Ich erinnere mich an einen
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