Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gerron - Lewinsky, C: Gerron

Titel: Gerron - Lewinsky, C: Gerron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
Vom Netzwerk:
Kinder sind grausam, und so sind das meistens Orte, vor denen man sich fürchtet. Die Baracke mit den Verrückten, oder der Pfad direkt am Stacheldraht, von dem das Gerücht geht, dass die Wachen dort manchmal jemanden erschießen, einfach so, aus Langeweile. Die andern, die Glück gehabt haben, marschieren hinter den Opfern her und singen ein Spottlied, das sie sich aus den beiden Lagersprachen, Deutsch und Holländisch, zusammengedichtet haben. Zwarte Katte, weiße Katze, heeft de Maus schon in zijn Tatze, weiße Maus, zwarte Maus, en du bent raus!
    Von dem Spiel kriegen sie nie genug. Es ist einfach, und jeder kann mitmachen. Die einzige zusätzliche Regel: Wenn der Kommandant mit seiner Familie auf Transport geht, auf den richtigen Transport, dann muss er den Würfel dalassen. Damit das Spiel weitergehen kann.
    Ich denke an die falschen Dinge. Dabei gibt es doch so viel anderes. Ein ganzes Leben, das anders war.
    Einmal … Ja, daran will ich mich erinnern! Das war eine gute Zeit. Als ich beim Tollen Einfall Regie führte. Die Dreharbeiten in St. Moritz wie ein langer Urlaub. Wir wohnten und filmten im selben Hotel. Unser Produzent hatte dort alle Zimmer gemietet.
    Ich weiß nicht mehr, wer auf die Idee kam. Der Slezak vielleicht, das ist so ein wunderbar alberner Mensch. Es kann auch der Bendow gewesen sein. Oder der Lingen. Oder alle zusammen. So viele Komiker auf einem Haufen. Und dann waren die Nächte an der Hotelbar auch immer sehr feucht. Egal. Plötzlich war der Gedanke da. Die ganzen hübschen Mädchen aus der Girltruppe sollten sich irgendwo im Hotel verstecken, jede an einem anderen Ort, und die Schauspieler sollten Detektive sein und sie suchen. Ein Punkt für jedes gefundene Girl. Angesäuselt, wie wir waren, fanden wir das sehr originell.
    Otto Burschatz, natürlich längst bester Kumpel des gesamten Hotelpersonals, besorgte beim Nachtportier einen Generalschlüssel, mit dem man jede Zimmertür öffnen konnte. Die Mädel kriegten fünf Minuten Vorsprung, und dann ging die Jagd los.
    Das erste Zimmer, in das jemand einbrach, war das von Willy Fritsch. Der verabschiedete sich abends immer als erster. Aus Angst, wie er uns erklärte, er könne Augenringe bekommen, wenn ihm von seinen zehn Stunden Schönheitsschlaf auch nur eine Minute fehlte. Der Fritsch war für seine Eitelkeit berühmt. An dem Abend stellte sich heraus, dass er noch einen anderen Grund hatte, so früh zu Bett zu gehen. Einen schwarzhaarigen, siebzehnjährigen Grund. Ein Mädchen aus dem Dorf. Was haben wir gelacht! Und der Willy, so viel Humor hatte er, lachte mit.
    Überhaupt nahmen alle, die wir aus dem Schlaf rissen, den Überfall mit guter Laune hin. Man kannte sich gegenseitig. In meiner Truppe hat es nie einen Unterschied gemacht, ob jemand hinter der Kamera stand oder davor. Darauf habe ich immer Wert gelegt.
    Der Höhepunkt war, als Max Adalbert ins Zimmer von der Rosalie Pfeiffer schlich, unserer Kostümtante, die damals auch schon auf die sechzig zuging. Sie schlief so tief, dass sie den Eindringling zunächst gar nicht bemerkte und erst aufwachte, als der Max in seinem Suff zu ihr unter die Decke kroch. Auch da erschrak sie nicht, sondern lächelte ihn ganz freundlich an. Es war der Max, der einen Heidenschreck kriegte. Weil die Rosalie nämlich ihr Gesicht mit einer weißen Schönheitssalbe eingerieben hatte und aussah wie eine ägyptische Mumie. Das war ein Hallo, als er uns davon erzählte! Wir haben ihm noch tagelang bei jeder Gelegenheit zu seiner Eroberung gratuliert. Der Duday, typisch Produzent, wollte gleich ein Drehbuch aus der Geschichte machen. Hatte sich auch schon einen Titel ausgedacht: Schreck um Mitternacht.
    Die SS kam immer um halb fünf. Sie wussten aus Erfahrung, dass Menschen am wenigsten Widerstand leisten, wenn man sie aus dem Tiefschlaf reißt. Dabei hätten sie gar nicht so früh aufstehen brauchen, um uns einzukassieren. Wohin hätten wir denn davonlaufen sollen?
     
    Ich muss das schaffen. Ich muss meine Gedanken in den Griff kriegen.
    Einmal, das war auch im Roten Faden , hatte der Garderobier meine Schuhe zur Reparatur gebracht und vergessen, sie rechtzeitig abzuholen. Mit meinen Straßentretern konnte ich nicht auf die Bühne. Lack musste sein für eine Revue. Es wurden dann andere Schuhe aufgetrieben, aber die waren zu klein für meine Füße. Während der ganzen Vorstellung taten mir die Zehen weh. In mir dachte es immer nur: Das wird bestimmt ein Hühnerauge. Und musste dabei elegant durch

Weitere Kostenlose Bücher