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Gerron - Lewinsky, C: Gerron

Titel: Gerron - Lewinsky, C: Gerron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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nicht dazu in der Lage gewesen. Vielleicht wäre ich nie dazu in der Lage gewesen.
    Wenn ich in Holland Otto Burschatz bei mir gehabt hätte, wenn er hätte für mich entscheiden können, als das Angebot aus Hollywood kam – ich wäre heute in Amerika.
    Egal.
    Es ist nun mal so.
    Wir fahren mit der Eisenbahn.
    «Für wie lang soll ich packen?», fragte Olga, die praktische.
    «Nehmt mit, soviel ihr könnt. Wenn man einmal den Schwamm im Gebälk hat, wird man ihn nicht so schnell wieder los. Falls ihr noch Koffer braucht – es wird der Requisite der Ufa eine Ehre sein, euch welche zu besorgen. Auch für deine Eltern.»
    Er hatte vier Fahrkarten besorgt. Für ihn war es ganz selbstverständlich, dass ich Mama und Papa nicht in Berlin lassen konnte. «Sag ihnen, dass du sie brauchst», riet er mir. «Das wird es ihnen leichtermachen.»
    «Warum sollte irgendjemand die beiden verhaften wollen?», fragte ich. «Sie sind nicht prominent.»
    «Ich glaube nicht», sagte Otto Burschatz, «dass das auf die Dauer einen Unterschied machen wird.»
    Er war schon immer ein kluger Mensch, mein Freund Otto.
    Er hatte für uns beschlossen, dass wir nach Wien fahren sollten. «Solang es dort den Reinhardt gibt», hatte der Kortner gemeint, «wird keiner von uns arbeitslos.» War selbst in seinem Pessimismus noch zu optimistisch.
    Otto hatte an alles gedacht. «Wenn sie dich an der Grenze fragen, wo du hinwillst, sag, dass ihr ein paar Wochen Urlaub machen wollt. Es kann dort keiner wissen, dass du eigentlich einen Film drehst.»
    «Ich drehe keinen Film mehr», sagte ich.
    «Eben», sagte Otto. Er schaute zur Decke, wie das seine Art ist, wenn er etwas Unangenehmes mitzuteilen hat. «Sie haben übrigens weitergearbeitet. Fünf Minuten, nachdem du weg warst.»
    «Und wer …?»
    «Der von Neusser.»
    «Der kann das doch gar nicht!»
    «Darauf kommt es heutzutage nicht an», sagte Otto.
    «Und es haben alle mitgemacht?»
    Wieder schaute Otto zur Decke.
    Niemand hatte gestreikt oder sich für mich eingesetzt. Man steckt nicht freiwillig den Kopf aus dem Fenster, wenn es draußen regnet. Nur Magda Schneider hatte darum gebeten, dass man zunächst einmal nur ganz einfache Dinge drehen sollte. Für große Szenen seien ihre Nerven zu angegriffen. Ein echter Star muss immer mal wieder beweisen, wie sensibel er doch ist.
    Dann haben wir gepackt. Olga hat gepackt. Ich habe mich von Otto zur Klopstockstraße fahren lassen. Zum Abschied hat er mir die Hand hingestreckt. Das tat er sonst nie. Wenn man nur noch die linke hat, gewöhnt man sich das Händeschütteln ab.
    Vor der Haustür traf ich den Heitzendorff, der gerade nach Hause kam. Er machte einen zufriedenen Eindruck. Wie jemand, der einbisschen gesunden Sport getrieben und sich anschließend ein paar Gläser Bier genehmigt hat.
    «Ich bin nicht Portier», sagte der Effeff. «Ich bin Arier.» Humorlose Leute sind immer so stolz, wenn ihnen einmal eine Pointe gelingt.
    Papa hat protestiert, und Mama hat ihr beleidigtes spitzes Mündchen gemacht. Aber sie haben sich überreden lassen. «Es ist nur für ein paar Wochen», habe ich gesagt. Sie haben es geglaubt, weil sie es glauben wollten.
    Wir fuhren vom Anhalter Bahnhof. Dort waren mehr Uniformierte als üblich, aber es hat uns niemand belästigt. Sie waren alle sehr höflich. Der Schaffner, der uns die Tür zum reservierten Abteil öffnete, bat mich um ein Autogramm. An der österreichischen Grenze wurden wir überhaupt nicht kontrolliert. Als ob sie schon wüssten, dass dort schon bald keine Grenze mehr sein würde.
    Dann waren wir im Exil. In der Emigration. In der Verbannung. Rausgeschmissen. Vor die Tür gestellt.
    Seltsam, dass man nach einem Land Heimweh haben kann, mit dem man nichts mehr zu tun haben will.
     
    Ich habe es in Wien probiert.
    «Es wird uns eine große Ehre sein, Sie zu beschäftigen, verehrter Herr Gerron. Wir melden uns auch ganz bestimmt, sobald wir einen entsprechenden Stoff gefunden haben. Bloß im Moment sehen wir bedauerlicherweise gar keine Möglichkeit, leider, leider, leider …»
    In Prag.
    «Wenn es nur nach mir ginge, lieber Herr Gerron, ich persönlich könnte mir gar nichts Schöneres vorstellen, als dass Sie für uns einen Film drehen. Aber der Zustand der tschechischen Filmindustrie erlaubt es zur Zeit nicht, leider, leider, leider …»
    In Zürich.
    «Wenn Sie sich nur ein bisschen früher gemeldet hätten! Jemanden wie Sie hätten wir am Schauspielhaus gut brauchen können. Jetzt ist das Ensemble

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