Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
so sehn:
Als Spiel, das erst dann in Ernst umschlägt,
wenn zwei Menschen sich erstmals enthosen.
Da stehen sie nun und schauen sich an,
gebannt zwischen Drängen und Locken.
Zwei Menschen, die ein Gedanke beherrscht:
Was folgt, wenn wir uns jetzt entsocken?
Sind entdecken, entflammen, entfliehn unser Los?
Entschweben, entfesseln, entzücken?
Drohn am Ende entgeistern, entziehn? Winkt uns
Entsetzen oder Entrücken?
Vom Hunger
Ist eine böse Lust
Sitzt zwischen Beinen
Wenn es nicht deine sind
Sinds doch die meinen
Ist eine liebe Not
Die will sich paaren
Bitt dich, gestatte ihr
In dich zu fahren
Ist eine schöne Ruh
Wenn wir es hatten
Heiß sind die Hungrigen
Selig die Satten.
Dir gesagt
Mein Kind,
ich will ja nichts von dir.
Ich will ja nur
das Eine:
Dich haben und halten
Dich laben und schalten
Dich fassen und drehen
Dich lassen und gehen.
Mein Kind,
erwarte nichts von mir.
Nur eines: Sei
die meine.
Trostgedicht
Du warst mir, Liebes,
ziemlich lieb.
Das sag ich jetzt,
da ichs nie schrieb.
Nun, da du einen
Liebsten hast,
wirst du von mir
nicht angefaßt.
Mich tröstet, daß
er das besorgt.
Bist nicht verschenkt,
bist nur verborgt.
Ob ich dich jemals
wieder hol?
Das hängt von dir ab.
Lebewohl!
Unhappy End
Sie ist mir ganz abhanden gekommen,
die Lieb.
Du gingst und hast sie mit dir genommen.
Ich blieb
alleine zurück, ernüchtert, erkaltet.
Ich schrieb:
»Achtung! An alle, die's angeht: Behaltet
den Dieb.«
Ein Penner und ein Banker
begegnen dem Dichter
auf der Frankfurter Zeil
Zwischen dem Penner und mir da klafft
ein Abgrund. Der nennt sich Leben.
Er steht dort drüben. Und ich stehe hier.
Aber beide stehn wir daneben.
Mitten im Leben steht keiner von uns.
Da steht man nicht, da fällt man.
Und der, den's am schnellsten nach unten reißt,
ist der Mann von Welt alias Geldmann.
Wir schaun seinem Fall gelassen zu:
Der hat bald ausgelitten.
Ein Penner links, ein Dichter rechts,
der Banker fällt inmitten.
Beim Anblick einer
aufrüttelnden Botschaft,
ausgehängt im Frankfurter
Hauptbahnhof
»Mein Fleisch gehört mir!«
verkündet ein Tier,
ein Schwein auf einem Plakat.
Ich schaue es an
und denke mir: »Mann!
Seit wann frißt der Wolf Salat?«
Als er zum wiederholten Male
das Diözesan-Museum sah
Paderborn, arme Stadt
wie er dich verschandelt hat,
dieser Architekt!
Hat dir dreist den Dom verstellt,
kriegte dafür auch noch Geld,
daß er den versteckt.
Architekten holt Freund Hein.
Aber so ein Werk aus Stein
bleibt im Fleisch ein Dorn.
Macht in alle Ewigkeit
sich vor Turm und Kirche breit:
Arme Stadt Paderborn.
Münchner Multikulti
ODER
beim Vietnamesen
Langnase zeigt,
wie bewandert er ist.
Er ordert Stäbchen.
Schlitzauge greift
am Tisch nebenan
ganz unbekümmert zur Gabel.
Die Frau mit dem bösen Blick
Die Frau mit dem bösen Blick -
den pfeift kein Gutmensch zurück:
- Im Prospekt stand aber »Meerblick«!
- Wir blicken doch aufs Meer.
- Ich hätt aber gern mehr Meerblick!
- Mehr gibt so ein Fenster nicht her.
- Weil du keinen Balkon gebucht hast, Mann!
- Im Prospekt stand aber »Ruhe«!
- Ich begreif nicht, was dich verdrießt.
- Und warum quietscht dann die Truhe?
- Doch nur, Frau, wenn jemand sie schließt.
- Soll ich die etwa zwei Wochen lang offen stehen lassen?
- Im Prospekt stand aber »Service«!
- Du hast ihn doch gar nicht probiert.
- Der muß spüren, Mann, wenn mein Glas leer ist!
- Meinst du wirklich, daß jemand das spürt?
- Service kommt schließlich von »servus«, der Sklave!
- Im Prospekt stand aber »Beglückung«!
- Wann hätte dich je was beglückt?
- Mich beglückte vor Jahren Entrückung.
- Hat dich ein Beglücker entrückt?
- Mann, wer so fragt, der weiß wirklich nicht, was Glück heißt!
- Im Prospekt stand aber
- Was stand da?
- Da stand was
- Da steht dit und dat
- Da stand was
- Wovon, Frau?
- Von Träumen!
- Die glaubt nur, wer sie nicht hat!
- Dann zähle ich in deinen Augen zu diesen Traumlosen?
- Im Prospekt stand aber »Erfüllung«!
- Das meint nur erfüllte Versprechen!
- Nicht eher »verhüllte Verbrechen«?
- Woher rührt dein Drang zur Enthüllung, Frau?
- Und woher, Mann, deiner zur Verschleierung?
Einer Mutter Herz
nach einer Brieferzählung
von Abu Musab Al-Zarqawi.
Es war einmal ein böser Mann,
der machte einen Dummen an.
»Los, bring mir deiner Mutter Herz,
ich mach dich reich. Das ist kein Scherz!«
Der Dumme ging ins
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