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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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Schatten.
    »Sieh mal, Wanja!«, hörte er Bykow sagen. »Nach unten, sieh nach unten!«
    Shilin spähte in die Tiefe. Aus dem zimtbraunen Massiv wuchs gespenstisch, wie ein ungeheurer Giftpilz, ein riesiger weißer Hügel empor. Langsam schwoll er in die Breite, und man konnte auf seiner Oberfläche ein unaufhörlich fließendes Muster erkennen, das wie ein Knäuel sich windender Schlangen aussah.
    »Eine exosphärische Protuberanz«, erklärte Bykow. »Eine sehr seltene Erscheinung, wie ich meine. Verdammt, das müssten wir den Jungs zeigen!« Damit meinte er die Planetologen.
    Der bauchige Hügel erstrahlte plötzlich von innen her in vibrierendem fliederfarbenem Licht.
    »Fantastisch!«, entfuhr es Shilin.
    »Herunterlassen!«, mahnte Bykow.
    Ohne den Blick von der Protuberanz zu wenden, ließ Shilin die dünne Trosse weiter abrollen. Anfangs hatte er den Eindruck, die »Tachmasib« flöge geradewegs auf die Protuberanz zu. Aber dann erkannte er, dass das Schiff in großer Entfernung links an ihr vorüberfliegen würde. Die Protuberanz löste sich von dem zimtbraunen Massiv und segelte mit einem scheinbar klebrigen Schwanz gelber Fäden in das prangende Rosa hinein. In den Fäden erstrahlte noch einmal das fliederfarbene Licht, und die Protuberanz zerschmolz im rosafarbenen Meer ringsum.
    Bykow arbeitete lange. Zwischendurch kam er mehrmals zur Plattform herauf und ruhte sich ein wenig aus. Wenn er wieder hinabstieg, schlug er jedes Mal eine andere Richtung ein. Als er zum dritten Mal zur Plattform kletterte, hatte er nur noch einen Tester bei sich. »Den anderen habe ich verloren«, erklärte er knapp.
    Ein Bein gegen das Geländer gestemmt, ließ Shilin geduldig die Trosse herab. In dieser Stellung fühlte er sich sicher und konnte nach allen Seiten Ausschau halten. Doch er entdeckte keine weiteren Veränderungen. Erst als der Kommandant das sechste Mal zur Plattform zurückkam und brummte: »Schluss, gehen wir!«, fiel Shilin plötzlich auf, dass die rotbraune Nebelwand zur Linken, die bewölkte Oberfläche des Jupiters, merklich näher gerückt war.
    Die Steuerzentrale war aufgeräumt. Krutikow hatte die Splitter zusammengefegt und saß, die Pelzweste über dem Overall, auf seinem gewohnten Platz. Aus seinem Mund kamen Dampfwolken – es war kalt in der Steuerzentrale. Bykow setzte sich in einen Sessel, rieb sich die Knie und blickte den Steuermann, dann Shilin unverwandt an. Die beiden warteten.
    »Hast du die Lecks abgedichtet?«, fragte Bykow den Steuermann.
    Krutikow nickte mehrmals.
    »Also: Wir haben eine Chance«, sagte Bykow. Krutikow richtete sich auf, und man hörte ihn tief einatmen. Shilin schluckte heftig vor Erregung.
    »Wir haben eine Chance«, wiederholte Bykow. »Aber sie ist sehr klein. Ganz und gar unrealistisch.«
    »Nun red schon, Ljoscha!«, bat der Steuermann leise.
    »Ihr werdet es gleich erfahren …« Bykow räusperte sich. »Sechzehn Prozent des Reflektors sind defekt. Daraus ergibt sich die Frage: Können wir die restlichen vierundachtzig Prozent zum Funktionieren bringen? Es sind sogar noch weniger als vierundachtzig, weil etwa zehn Prozent infolge der Zerstörung des Systems der Kontrollzellen nicht kontrolliert werden.«
    Der Steuermann und Shilin schwiegen.
    »Wir können«, fuhr Bykow fort, »es auf jeden Fall versuchen. Der Verbrennungspunkt des Plasmas muss so verlagert werden, dass die Asymmetrie des defekten Reflektors dadurch kompensiert wird.«
    »Klar«, sagte Shilin mit zitternder Stimme.
    Bykow sah ihn an. »Das ist unsere einzige Chance. Wanja und ich werden die Magnettraps umorientieren. Wanja kann das. Du, Mischa, berechnest, wo der Verbrennungspunkt entsprechend dem Schema der Beschädigung jetzt sitzen muss. Das Schema bekommst du sofort. Das ist eine irrsinnige Arbeit, aber – unsere einzige Chance.«
    Er sah den Steuermann an. Michail hob den Kopf und begegnete seinem Blick. Sie verstanden einander blind, und es bedurfte keiner weiteren Worte. Möglich, dass sie mit der Arbeit nicht rechtzeitig fertig würden oder der Schiffsrumpf unter dem ungeheuren Druck von Korrosion zerfressen würde und sich wie ein Stück Würfelzucker in heißer Flüssigkeit auflöste, bevor die Arbeit beendet war. Sie wussten, dass an eine vollständige Kompensation der Asymmetrie nicht zu denken war und dass noch nie jemand ein Raumschiff mit einer derartigen Kompensation und obendrein mit einem erheblich geschwächten Antrieb zu fliegen versucht hatte.
    Sehr laut wiederholte Bykow:

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