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Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band

Titel: Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Strugatzki , Arkadi Strugatzki
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einmal vorwurfsvoll.
    »Unbedingt«, sagte ich.
    Wusi schob sich den Rest der Pastete in den Mund, gab der Mutter einen Kuss auf die Wange und lief zur Tür. Sie hatte braungebrannte lange Beine, die Haare trug sie kinnlang.
    »Ach, Iwan«, seufzte Waina, die ihr ebenfalls nachblickte. »Heutzutage hat man’s schwer mit den jungen Mädchen! So früh entwickeln sie sich, so schnell verlassen sie uns. Seit sie in dem Salon ist …«
    »Ist sie Schneiderin?«, fragte ich.
    »O nein! Sie arbeitet in einem Gute-Laune-Salon, in der Abteilung für ältere Frauen. Und wissen Sie, man schätzt sie dort. Im vorigen Jahr kam sie einmal zu spät, und nun muss sie sehr vorsichtig sein. Sie sehen ja, sie konnte gar nicht richtig mit Ihnen sprechen. Es ist durchaus möglich, dass schon eine Kundin auf sie wartet. Sie hat nämlich schon, ob Sie es glauben oder nicht, einen festen Kundinnenkreis. Warum stehen wir eigentlich hier herum, die Toasts werden ja kalt.«
    Wir gingen in ihre Wohnung. Ich war eifrig bemüht, mich zu benehmen, wie es sich gehörte, obwohl ich im Grunde nur eine vage Vorstellung davon hatte, was sich gehörte und was nicht. Waina nötigte mich an ein Tischchen, entschuldigte sich und eilte hinaus. Ich sah mich um. Es war die genaue Kopie meines Salons, nur waren die Wände nicht blau, sondern rosa, und hinter der Veranda war nicht das Meer, sondern ein niedriger Zaun zu sehen, der den Hof von der Straße trennte. Waina kehrte mit einem Tablett zurück und stellte eine Tasse mit Sahne und einen Teller mit Toasts vor mich hin.
    »Ich werde auch ein Häppchen essen«, sagte sie. »Mein Arzt empfiehlt mir zwar, auf das Frühstück zu verzichten, wenigstens auf die Sahne, aber wir sind es so gewohnt … Es war das Lieblingsfrühstück des Generalobersten. Und wissen Sie, ich vermiete möglichst nur an Männer, der nette Amad versteht mich da voll und ganz. Er weiß, wie ich es brauche, hin und wieder bei einer Tasse Sahne zu sitzen … wie wir beide jetzt.«
    »Ihre Sahne ist wunderbar«, bemerkte ich sogar ziemlich aufrichtig.
    »Ach, Iwan!« Waina stellte die Tasse ab und klatschte in die Hände. »Sie sagen das fast so wie der Generaloberst. Merkwürdig, Sie ähneln ihm sogar. Sein Gesicht war nur ein wenig schmaler, und er frühstückte stets in Uniform.«
    »Tja«, sagte ich bedauernd. »Eine Uniform habe ich nicht.«
    »Aber Sie hatten mal eine!«, erwiderte sie und drohte mir schelmisch mit dem Finger. »Das sehe ich auf den ersten Blick. Ach, wie sinnlos das ist, dass sich die Leute heute ihrer militärischen Vergangenheit schämen müssen. Dumm, nicht wahr? Aber die Haltung verrät sie, diese ganz spezielle männliche Haltung. Das lässt sich nicht verbergen, Iwan.«
    Ich machte eine umständliche, schwer zu deutende Geste, sagte »Hm, ja« und nahm mir einen Toast.
    »Absurd, nicht wahr?«, fuhr Waina lebhaft fort. »Wie kann man so verschiedene Begriffe wie Krieg und Armee durcheinanderbringen? Wir alle hassen den Krieg. Krieg ist furchtbar. Meine Mutter – sie war damals ein kleines Mädchen, erinnert sich aber noch genau – hat mir einmal erzählt: Da kommen plötzlich Soldaten, grobe, fremde Soldaten, sprechen eine fremde Sprache, rülpsen, und die Offiziere sind so rücksichtslos und unkultiviert, dass sie sich vor Lachen biegen und die Stubenmädchen beleidigen, sie riechen, entschuldigen Sie, und diese sinnlose Sperrstunde … Aber so ist der Krieg! Er ist es wert, in Bausch und Bogen verurteilt zu werden! Ganz anders dagegen die Armee. Wissen Sie, Iwan, Sie müssen sich das bildlich vorstellen: Truppen, bataillonsweise angetreten in Reih und Glied, männliche Gesichter unter Helmen, glänzende Waffen, glitzernde Achselschnüre, und dann fährt der Befehlshaber in einem besonderen Militärfahrzeug die Front ab, grüßt, und die Bataillone antworten wie ein Mann – knapp und gehorsam!«
    »Zweifellos«, sagte ich. »Zweifellos hat das auf viele Eindruck gemacht.«
    »Ja, auf außerordentlich viele! Bei uns hat es immer geheißen, wir müssten abrüsten, aber darf man eine Armee vernichten? Diese letzte Zuflucht des Muts und der Tapferkeit in unserer Zeit des Sittenverfalls! Das ist ungehörig und lächerlich – ein Staat ohne Armee …«
    »Lächerlich«, stimmte ich zu. »Es mag unglaublich klingen, aber seit dem Augenblick, da der Pakt unterzeichnet wurde, kann ich nur noch lächeln.«
    »Ich verstehe Sie«, sagte Waina. »Was blieb uns auch anderes übrig, als sarkastisch zu lächeln?

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