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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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ist eben noch sehr jung und dumm. Sie hat ja gar keine Ahnung. Eins aber sollst du wissen: Ich bin dir so dankbar, dass ich dir jede Bitte … Egal was du dir wünschst … Wenn du wüsstest, was ich hier durchgemacht hab! Pass bloß auf, dass du nie so eine Vergiftung bekommst, Snegirjow. Du bist doch nicht sauer, nein? Na, sag schon: Bist du sauer?«
    Dann aber, auf dem leeren Treppenabsatz, neben dem Telefonautomaten, geschieht etwas völlig Absurdes: Kurdjukow unterbricht sein wirres Gestammel, klammert sich krampfhaft an Snegirjows Brust, drückt ihn gegen die Wand und zischt ihm geifernd ins Gesicht: »Merk dir eins, Snegirjow! Es ist nichts gewesen! Verstanden? Vergiss es!«
    »Wovon redest du überhaupt?«, murmelt Snegirjow und versucht, sich frei zu machen.
    »Es ist nichts gewesen!«, zischelt Kurdjukow weiter. »Nichts! Merk dir das gut! Gar nichts!«
    »Scher dich zum Teufel! Bist du übergeschnappt?«, brüllt Snegirjow. Endlich gelingt es ihm, sich loszureißen, und während er Kurdjukow mühsam auf Abstand hält, ächzt er: »Komm zu dir, du Unmensch! Was ist denn nur in dich gefahren?«
    Zitternd und geifernd wiederholt Kurdjukow immer wieder: »Es ist nichts gewesen, verstanden? Nichts! Gar nichts.«
    Dann ermüdet er und beginnt zu lamentieren: »Ich hab da einen Fehler gemacht, Snegirjow … Einen ganz dummen Fehler! Es ist ein geheimes Institut. Ich darf eigentlich nichts davon wissen, und du schon gar nicht! Das alles ist eine Nummer zu groß für uns, Snegirjow! Ich hab mich verquatscht, und schon kamen sie angesaust und verpassten mir einen Rüffel. Ich trau mich gar nicht mehr aus dem Krankenhaus!«
    Snegirjow lässt Kurdjukow los. Der reibt sich mit Leidensmiene die geröteten Handgelenke und stammelt mit Tränen in den Augen: »Das war ein Fehler. Ich habe mein Fett schon weg, und wenn du weiter so schwatzt, setzt’s noch mehr. Mit deinem Geschwätz richtest du mich noch zugrunde! Es ist streng geheim! Wir beide dürfen gar nichts davon wissen!«
    »Schön«, erwidert Snegirjow und zwingt sich zur Ruhe. »Dann ist es eben geheim. Meinetwegen. Was zitterst du so? Na, sag selbst: Was habe ich mit alldem zu schaffen? Wenn ich nichts davon wissen darf, dann vergesse ich’s eben wieder. Nimm an, dass ich es bereits vergessen habe. Es ist nichts gewesen! Behaupte ich etwa das Gegenteil? Also wirk lich, was soll das Ganze?«
    Mitleidslos schiebt er Kurdjukow beiseite und läuft so schnell er kann die Treppe hinunter. Er ist bereits unten angelangt, als Kurdjukow sich über das Geländer lehnt und ihm so laut, dass es durchs ganze Krankenhaus schallt, hinterherruft: »Denk an dich, Snegirjow! Das rate ich dir dringend! An dich!«
    Snegirjow spuckt verächtlich aus.
    Zu Hause, in seinem winzigen Flur, knipst Snegirjow das Licht an. Er legt das dicke Paket, das Pawel Pawlowitsch ihm mitgegeben hat, auf ein Tischchen, setzt müde die Baskenmütze ab, zieht den Mantel aus und hängt ihn ordentlich auf einen Holzbügel. Und da entdeckt er etwas Schreckliches: Genau an der Stelle, wo seine linke Niere sitzt, steckt in dem Mantel ein langer Pfriem mit Holzgriff. Einige Sekunden lang starrt Snegirjow wie hypnotisiert auf den rundlichen Griff. Dann hängt er den Bügel mit dem Mantel vorsichtig an die Garderobe, ergreift den Mantelsaum und zieht den Pfriem mit zwei Fingern heraus. Im Licht der elektrischen Lampe blitzt die dünne Stahlnadel bedrohlich auf.
    Da erinnert Snegirjow sich an alles, was an diesem Tag geschehen ist: an Kurdjukows verzerrtes Gesicht und seine Worte: »Denk an dich, Snegirjow! Das rate ich dir dringend! An dich!«; an das Scheppern und Klirren im Netz und den Pflasterstein im Scherbenhaufen; an das Gezeter und Geschrei der auseinanderstiebenden Schlange und die unheimliche, stumpfe Kipperschnauze, die auf ihn zugerast kam wie das Schicksal; an Kurdjukows Aussage: »Pass bloß auf, dass du nie so eine Vergiftung bekommst, Snegirjow.«
    Zu viel für einen Tag …
    Den Pfriem in der Hand, legt Snegirjow die Kette vor die Wohnungstür und sagt laut vor sich hin: »So sieht’s also aus.«
    Nachtzeit, es regnet. Im Licht der Straßenlaternen glänzen die nassen Blätter, die kantigen Pflastersteine der Fahrbahn und die Platten auf dem Gehweg. Die Häuser sind in Dunkelheit gehüllt, nur hier und da leuchtet ein einsames Fensterviereck.
    Vor einem neunstöckigen Wohnhaus hält ein Pkw. Die Scheinwerfer erlöschen. Aus dem Wagen sieht man im strömenden Regen vier verschwommene Gestalten

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