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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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dass ich nie über diese Zeit schreibe. Dabei würde der Stoff gewiss jeden Leser interessieren! Aus den Händen würden sie’s mir reißen, besonders, wenn ich mich zu dem kernigen Schreibstil entschlösse, der gerade jedem – wer weiß, warum – gefällt. Ich dagegen kann ihn längst nicht mehr ausstehen. Zum Beispiel:
    »An Bord der ›Kon’ei-maru‹ war es rutschig, es roch nach fauligem Fisch und saurem Rettich. Die Glasscheiben der Kommandobrücke waren geborsten und mit Papier verklebt …«
    (Hier macht es sich gut, möglichst oft »war« und »waren« zu wiederholen: Die Scheiben waren geborsten, die Visage war verzerrt …)
    »Valentin kletterte hinüber, die MPi im Anschlag. ›Sencho, komm raus!‹, sagte er streng. Der Skipper kam. Er war alt, gebeugt, sein Gesicht war nackt, nur an seinem Kinn hing spärliches graues Haar. Um seinen Kopf war ein Tuch mit roten Hieroglyphen, auf der rechten Seite seiner blauen Jacke waren ebenfalls Schriftzeichen, aber in Weiß. An den Füßen trug er dicke Socken. Der Skipper trippelte heran, verschränkte die Arme vor der Brust und verbeugte sich.
    ›Frag ihn, ob er weiß, dass er in unsere Gewässer eingedrungen ist‹, befahl der Major. Ich fragte. Der Skipper antwortete, er wisse es nicht. ›Frag ihn, ob er weiß, dass der Fischfang innerhalb der Zwölfmeilenzone verboten ist‹, befahl der Major.«
    (Auch das macht sich gut: »befahl«, »befahl«, »befahl« …)
    »Ich fragte. Der Skipper sagte, er wisse es, öffnete seine Lip pen und entblößte die wenigen gelben Zähne. ›Sag ihm, dass wir das Schiff beschlagnahmen und die Mannschaft verhaften‹, befahl der Major. Ich übersetzte. Der Skipper nickte mehrmals heftig, vielleicht zitterte auch nur sein Kopf. Wieder legte er die Arme vor die Brust und murmelte etwas, schnell, undeutlich. ›Was will er?‹, fragte der Major. Soviel ich verstand, bat uns der Skipper, den Schoner freizugeben. Erklärte, dass sie nicht ohne Fisch nach Hause zurückkehren könnten, weil sonst alle verhungerten. Er sprach irgendeinen Dialekt, statt ›ki‹ sagte er ›kshi‹, statt ›tsu‹ ›tu‹; er war schwer zu verstehen …«
    Manchmal denke ich, ich könnte Derartiges kilometerweise schreiben, aber das stimmt wohl nicht. In die Länge ziehen kann man nur etwas, das einem völlig gleichgültig ist.
    Eine Woche später, als wir Abschied nahmen, schenkte mir der Skipper ein Bändchen von Kikuchi Kan und Edogawas »Schattenmensch«. Beide stehen jetzt hier hübsch nebeneinander, das Kulturhaus in Paranaisk konnte nichts mit ihnen anfangen. »Der Schattenmensch« war das erste japanische Buch, das ich von Anfang bis Ende las. Hirai Taro gefällt mir; nicht ohne Grund hat er sich für dieses Pseudonym entschieden: Edogawa Rampo – Edgar Allan Poe.
    Die vierte Bibliothek ist bei Klara geblieben. Gott mit ihnen! Doch sollte ich dieses Thema jetzt besser meiden. Wie oft habe ich mir schon vorgenommen, nicht einmal in Gedanken eine Verbindung zu knüpfen zu denen,die sich von mir erniedrigt und beleidigt fühlen. Ohnedies bin ich immer irgendwem irgendetwas schuldig, habe ich irgendwelche Versprechen nicht gehalten, jemanden im Stich gelassen oder seine Pläne durchkreuzt … Und das womöglich, weil ich mich für einen großen Schriftsteller hielt, dem alles erlaubt ist …
    Kaum hatte ich an diesen mir fest anhaftenden Fluch gedacht, klingelte auch schon das Telefon, und unser Vorsitzender, Fjodor Michejitsch, erkundigte sich, unverkennbar gereizt, wann ich endlich in die Bannaja zu fahren gedenke.
    »Was ist das für eine Schlamperei, Felix Alexandrowitsch«, beklagte er sich. »Zum vierten Mal rufe ich dich jetzt an, aber du reagierst einfach nicht! Schließlich sollst du nicht zum Gemüsespeicher fahren, um faule Rüben zu verlesen! Ja, so etwas müssen Wissenschaftler und habilitierte Doktoren machen! Dich aber bittet man lediglich, in die Bannaja zu fahren und zehn Manuskriptseiten abzuliefern. Das kann ja wohl nicht so schwer sein! Es ist kein Zeitvertreib, und es hatte auch keiner sonst diese Schnapsidee – nein, du selber hast dafür gestimmt, den Wissenschaftlern zu helfen, diesen Linguisten, Kybernetikern und Mathematikern … Und hältst es jetzt nicht ein … Führst sie hinters … Und zerstörst damit … Du bildest dir wohl ein …«
    Was blieb mir übrig? Ich versprach noch einmal hinzufahren, heute noch, und hörte, wie am anderen Ende der Leitung mit einem wütenden, vorwurfsvollen Knallen der Hörer

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