Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
Vom Netzwerk:
warf mir einen triumphierenden Blick zu. »Nicht die geringste! Glatte Haut, elegante Erscheinung, schlanke Gestalt …«
    »Verzeihen Sie«, unterbrach ich ihn. »Sie sprachen soeben von Giuseppe Balsamo. Das ist dochGraf Cagliostro! Tolstoi zufolge war der Graf aber dick und ausgesprochen hässlich …«
    Das Männchen sah mich mitleidig an und lächelte nachsichtig. »Sie sind nicht auf dem neuesten Stand, Alexander Iwanowitsch«, sagte er. »Graf Cagliostro ist durchaus nicht mit dem großen Balsamo gleichzusetzen. Er ist … wie soll ich das sagen? Er ist nur eine nicht sonderlich geglückte Kopie. Balsamo hat in der Jugendzeit seine Matrix kopiert. Er war wirklich ungewöhnlich begabt, aber Sie wissen ja, wie das in jungen Jahren ist: Hauptsache, schnell, Hauptsache, lustig, irgendetwas wird schon dabei herauskommen. Tja … Sagen Sie niemals, dass Balsamo und Cagliostro ein und derselbe sind. Das könnte peinlich werden.«
    Es war mir schon peinlich.
    »Tja«, sagte ich. »Ich bin natürlich kein Fachmann. Aber … Verzeihen Sie die unbescheidene Frage, aber was hat das Kanapee damit zu tun? Wer hat es so dringend gebraucht?«
    Das Männchen fuhr zusammen. »Welch unverzeihliche Überheblichkeit«, sagte er laut und stand auf. »Ich habe einen Fehler gemacht und bin bereit, mit aller Entschiedenheit dafür einzustehen. Wenn solche Giganten … Und dann noch diese Grünschnäbel …« Er presste die bleichen Händchen ans Herz und verbeugte sich. »Bitte, verzeihen Sie die Störung, Alexander Iwanowitsch. Ich entschuldige mich nochmals in aller Form und ziehe mich augenblicklich zurück.« Er näherte sich dem Ofen und schielte ängstlich hinauf. »Ach, Alexander Iwanowitsch«, seufzte er. »Alt bin ich geworden, alt …«
    »Vielleicht wäre es bequemer, wenn Sie … durch die … äh … Vor Ihnen war schon ein Kollege hier, der hat sie auch benutzt.«
    »Aber mein Guter, das war Cristóbal Junta! Was macht’s einem wie ihm aus, zehn Lieue weit durch die Kanalisation zu sickern.« Das kleine Männchen winkte traurig ab. »Da kommt unsereins nicht mit. Hat er das Kanapee gleich mitgenommen, oder hat er’s transgrediert?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich. »Ich glaube, er ist auch zu spät gekommen.«
    Das Männchen zupfte sich verblüfft am Flaum seines rech ten Ohrs. »Zu spät gekommen? Er? Das ist unwahrscheinlich. Aber was wissen wir schon? Auf Wiedersehen, Alexander Iwanowitsch, ich hoffe, Sie verzeihen mir noch einmal großherzig.«
    Er ging mit sichtlicher Anstrengung durch die Wand und verschwand. Ich warf den Zigarettenstummel in die Staubflocken auf dem Fußboden. Sieh mal an, das Kanapee! Das ist was anderes als eine sprechende Katze. Etwas von Bedeutung – ein echtes Drama. Vielleicht sogar ein Drama der Ideen. Und wahrscheinlich kommen noch mehr verspätete Interessenten. Bestimmt sogar. Ich starrte auf den schmutzigen Fußboden. Irgendwo hatte ich doch einen Besen gesehen?
    Der Besen stand beim Telefon, neben dem Kübel. Ich kehrte die Staubflocken zusammen, als plötzlich etwas Schweres am Besen hängen blieb und in die Mitte des Zimmers rollte. Ich schaute hin: Es war ein glitzernder länglicher Zylinder von der Größe eines Zeigefingers. Ich tippte mit dem Besen dagegen. Der Zylinder kam ins Trudeln, ich hörte ein trockenes Knistern und nahm scharfen Ozongeruch wahr. Ich ließ den Besen fallen und griff nach dem Zylinder. Er fühlte sich wunderbar glatt und warm an. Als ich mit dem Fingernagel dagegenschnipste, knisterte es wieder. Ich drehte den Zylinder um, damit ich ihn mir von unten ansehen konnte, und spürte im selben Moment, wie der Fußboden unter mir wegkippte. Vor meinen Augen drehte sich alles. Ich stieß äußerst schmerzhaft erst mit den Fersen, dann mit der Schulter und zuletzt mit dem Schädel gegen etwas Hartes, ließ den Zylinder fallen und stürzte zu Boden. Ich war so perplex, dass ich eine ganze Weile brauchte, bis ich begriff, dass ich in dem schmalen Spalt zwischen Ofen und Wand steckte. Die Lampe schaukelte hin und her, und als ich zur Zimmerdecke aufsah, erblickte ich dort zu meinem Erstaunen die geriffelten Abdrücke meiner Schuhe. Ächzend kroch ich aus dem Spalt und sah mir meine Schuhsohlen an. Sie waren kreideweiß.
    »So was«, dachte ich laut. »Hoffentlich muss ich nicht auch noch durch die Kanalisation!«
    Ich sah mich nach dem Zylinder um. Er stand hochkant auf dem Fußboden, doch in so schräger Stellung, dass jegliches Gleichgewicht

Weitere Kostenlose Bücher