Gesammelte Werke
Atembeschwerden zuzuschreiben. Mein Experiment mit den Kätzchen aber zeigte einen eigenartigen Erfolg. Ich hatte selbstredend erwartet, sie irgendwie leiden zu sehen, wenn auch in geringerem Grad als die Mutter, und das hätte genügt, meine Anschauung über die schnelle Gewöhnung an jeden atmosphärischen Druck zu bestätigen. Ich hatte jedoch nicht erwartet, sie bei bestem Wohlbefinden zu sehen, mit aller Leichtigkeit und völlig regelmäßig atmend, ohne das geringste Zeichen von Unbehagen. Es blieb mir nur übrig, meine Theorie zu erweitern und anzunehmen, die ungemein verdünnte Atmosphäre ringsum sei nicht, wie ich für ausgemacht gehalten hatte, zur Erhaltung des Lebens chemisch unzureichend, vielmehr sei jeder, der darin geboren werde, in seiner Atmung durchaus unbehindert, während er bei einer Verpflanzung in die schwerere Luftschicht der Erde ähnlichen Qualen ausgesetzt sein mochte, wie ich sie unlängst in der dünneren Atmosphäre durchmachen musste.
Ich habe es seitdem tief bedauert, dass ein ungünstiger Zufall damals den Verlust meiner kleinen Katzenfamilie herbeiführte und mich der weitren Einsicht in diese Sache beraubte, die mir ein fortgeführter Versuch wahrscheinlich gebracht hätte. Als ich die Hand mit einem Wassernapf für die alte Katze durch das Ventil streckte, verfing sich mein Hemdärmel in der Schlinge, die das Körbchen hielt, und löste es im gleichen Augenblick vom Knopf. Wäre das Ganze plötzlich zu nichts geworden, so hätte es nicht schneller meinen Blicken entschwinden können. Im Ernst: Nicht der zehnte Teil einer Sekunde konnte zwischen der Loslösung des Korbes und seinem völligen Verschwinden mitsamt allem Inhalt verflossen sein. Meine guten Wünsche begleiteten ihn zur Erde; freilich hatte ich keine Hoffnung, dass die Katze oder ihre Kätzchen am Leben blieben, um ihr Missgeschick zu erzählen.
Um sechs Uhr sah ich einen großen Teil der sichtbaren Erdfläche nach Osten in dichten Schatten gehüllt, der mit großer Schnelligkeit voranrückte, bis fünf Minuten vor sieben der ganze Erdteil in nächtliches Dunkel versank. Lange nachher erst verließen die Strahlen der untergehenden Sonne den Ballon, und dieser allerdings vorausgesehene Umstand verfehlte nicht, mir unendliche Freude zu bereiten. Es war gewiss, dass ich am Morgen das aufsteigende Licht mindestens viele Stunden früher gewahren würde als die Einwohner Rotterdams, trotz ihrer so viel östlicheren Lage, und so würde ich Tag um Tag, je höher ich stieg, das Sonnenlicht länger und länger genießen. Ich beschloss nun, ein Reisetagebuch anzulegen und dabei die Tage auf fortlaufend vierundzwanzig Stunden zu berechnen, ohne die Dunkelstunden auszunehmen.
Um zehn Uhr fühlte ich mich schläfrig und beschloss, mich für den Rest der Nacht schlafen zu legen. Hier aber ergab sich eine Schwierigkeit, die – so naheliegend sie scheint – meiner Aufmerksamkeit bis diesen Augenblick entgangen war. Wenn ich, wie beabsichtigt, schlafen ging, wie sollte da in der Zwischenzeit die Luft im Raum erneuert werden? Länger als eine Stunde darin zu atmen würde unmöglich sein, und wenn man diesen Zeitraum auf fünfviertel Stunden ausdehnte, so konnte das die bedenklichsten Folgen haben. Dieses Dilemma beunruhigte mich nicht wenig. Wird man mir glauben, dass nach all den überstandenen Gefahren diese Angelegenheit mir in so trübem Licht erschien, dass ich die Hoffnung aufgab, mein Vorhaben durchzuführen, und schließlich mich mit dem Gedanken an die Rückkehr zur Erde vertraut zu machen begann?
Die Unschlüssigkeit war aber nur vorübergehend. Ich kam zu dem Schluss, dass der Mensch ein ausgemachter Sklave der Gewohnheit ist und dass viele Dinge in seinem Dasein als wesentlich erachtet werden, die es nur sind, weil er sie zu einer Gewohnheit erhoben hat. Es war sicher, dass ich ohne Schlaf nicht auskommen konnte, unschwer aber würde ich es dahin bringen, keine nachteiligen Folgen zu verspüren, wenn ich immer nach je einer Stunde der Ruhe wach würde. Es könnte höchstens fünf Minuten in Anspruch nehmen, die Luft vollständig zu erneuern, und die einzige Schwierigkeit war, eine Methode zu finden, die mich zur gebotenen Zeit wach werden ließ. Das aber blieb, wie ich gern gestehe, eine Frage, deren Lösung mir viel Kopfzerbrechen machte. Gewiss, ich kannte die Geschichte von dem Gelehrten, der, um nicht über seinen Büchern einzuschlafen, in der Hand eine kupferne Kugel hielt, deren heller Klang, wenn sie in die
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