Gesammelte Werke
neben dem Stuhl stehende kupferne Schale fiel, ausreichend war, ihn, sollte er je von Müdigkeit übermannt werden, wieder aufzuschrecken. Mein eigener Fall lag jedoch ganz anders und gestattete nicht die Anwendung einer ähnlichen Idee; denn ich wollte ja nicht wachgehalten, sondern in regelmäßigen Pausen aus dem Schlaf geweckt werden. Ich kam schließlich auf folgenden Ausweg, der, so einfach er auch erscheint, mir im Augenblick seiner Entdeckung als eine Erfindung erschien, die jener des Teleskops, der Dampfmaschine, der Buchdruckerkunst völlig gleichwertig zu erachten sei.
Ich muss vorausschicken, dass der Ballon bei der nun erreichten Höhe seinen Weg nach oben völlig gleichmäßig und ohne jede Abweichung verfolgte; es wäre unmöglich gewesen, auch nur die geringste Schwankung wahrzunehmen. Dieser Umstand begünstigte sehr die Anwendung des Mittels, zu dem ich mich jetzt entschlossen hatte. Mein Wasservorrat war in Fässchen an Bord genommen, deren jedes fünf Gallonen fasste und die alle sorgfältig rings an der Wand der Gondel verstaut waren. Eines davon band ich los, nahm zwei Taue und spannte sie fest von einer Seite zur anderen an das Weidengeflecht, indem ich sie in einem Zwischenraum von einem Fuß nebeneinander anbrachte, so dass sie eine Art Gestell ergaben, auf das ich das Fässchen auflegen und in horizontaler Lage befestigen konnte. Ungefähr acht Zoll tiefer und vier Fuß über dem Boden der Gondel brachte ich genau unter den Tauen ein zweites Gestell an – dieses aber aus einer dünnen Planke, dem einzigen derartigen Stück Holz, das ich besaß. Auf dieses Brett und genau unter den einen Rand des Fässchens wurde ein kleiner irdener Krug gestellt. Nun bohrte ich in das Fass über dem Krug ein Loch, in das ich ein Stück konisch geformtes Holz einfügte. Diesen Stöpsel schob ich hinein und zog ihn wieder heraus, so lange, bis er nach einigen Versuchen die Öffnung gerade soweit abschloss, dass das herausdringende und in den darunter stehenden Krug fallende Wasser ihn in einem Zeitraume von sechzig Minuten bis zum Rand füllen musste. Das ließ sich natürlich schnell und leicht feststellen, indem man berechnete, in welcher Zeit ein gewisser Bruchteil des Gefäßraumes sich füllte. Aus all diesen Vorbereitungen wird man den Rest meines Planes leicht erraten. Ich hatte mein Lager auf dem Boden so eingerichtet, dass mein Kopf beim Schlafen genau unter der Schnauze des Kruges lag. Es war klar, dass der Krug nach Ablauf einer Stunde überlaufen würde, und zwar an dieser Ausflussöffnung überlaufen würde, die etwas tiefer war als der Rand des Kruges. Es war ebenso klar, dass das aus einer Höhe von mehr als vier Fuß herunterfallende Wasser mir unbedingt auf das Gesicht tropfen würde, und die selbstverständliche Folge musste mein augenblickliches Erwachen aus dem denkbar tiefsten Schlaf sein. Es war gut elf Uhr, als ich diese Vorbereitungen beendet hatte, und ich begab mich sogleich auf mein Lager, in vollem Vertrauen auf die Wirksamkeit meiner Erfindung. Auch wurde ich in dieser Hinsicht nicht enttäuscht. Pünktlich alle sechzig Minuten wurde ich von meinem zuverlässigen Chronometer geweckt, worauf ich den Krug durch das Spundloch ins Fass entleerte, meine Obliegenheit am Kondensator erfüllte und mich wieder niederlegte. Die regelmäßige Unterbrechung meines Schlummers zeigte sich nicht einmal so unangenehm, wie ich geglaubt hatte, und als ich mich endlich für den neuen Tag erhob, war es sieben Uhr, und die Sonne stand bereits um viele Grade über meiner Horizontallinie.
3. April. Ich stellte fest, dass der Ballon eine gewaltige Höhe erreicht hatte, und die Konvexität der Erde zeigte sich nun verblüffend deutlich. Unter mir im Ozean lag ein Haufen schwarzer Punkte, zweifellos Inseln. Über mir war der Himmel tiefschwarz, und die Sterne waren strahlend sichtbar – waren es seit dem Tag meines Aufstiegs geblieben. Weit fort im Norden bemerkte ich einen dünnen, weißen, äußerst leuchtenden Strich oder Streifen am Horizontrand, und ich vermutete ohne Weiteres, dass dies die südliche Grenze des Polareismeeres sei. Meine Neugier war aufs Äußerste erregt, denn ich hatte Hoffnung, noch viel weiter nach Norden zu gelangen, und würde mich vielleicht zu irgendeiner Zeit direkt über dem Nordpol selber befinden. Ich bedauerte nur, dass meine große Höhe mich in diesem Fall verhindern musste, einen so genauen Überblick zu gewinnen, wie ich es gewünscht hätte. Immerhin standen mir
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