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Gesandter des Teufels

Gesandter des Teufels

Titel: Gesandter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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erinnerte sich daran, wie er sich gefühlt hatte, als ihm die winzige Rosalind in die Arme gelegt worden war, die dem Tod so nahe gewesen war, und wie sehr er sich gewünscht hatte, dass sie am Leben bleiben möge.

    Und er erinnerte sich auch daran, wie ihm der Erzengel erschienen war und gesagt hatte: Es ist besser, wenn das Mädchen stirbt, Thomas.
    Besser für dich ...
    Jeden Abend, wenn er Rosalind liebevoll an sich drückte, bevor er sie in ihr Bettchen legte, und jede Nacht, wenn er sich an Margaret schmiegte und das Kind spürte, das in ihrem Leib heranwuchs, wusste Thomas, dass der Erzengel sich geirrt hatte. Wie hätte es besser für ihn sein können, wenn Rosalind gestorben wäre? War die göttliche Erlösung das Leben eines Kindes wert?
    Und wann immer ihn seine Gedanken und Erinnerungen zu sehr plagten, betete Neville zum Heiland. Auch wenn ihn die Dinge, die er über den Heiland erfahren hatte, zutiefst erschüttert hatten, stellte Neville fest, dass seine Ehrfurcht vor ihm und die Liebe und das Vertrauen, die er ihm gegenüber empfand, nicht schwächer geworden waren. Zwischen ihnen schienen solch starke Bande zu bestehen, dass keine Offenbarung, wie entsetzlich sie auch sein mochte, sie zerreißen konnte.
    Die Liebe ist Erlösung, Thomas. Nicht Verdammnis. Vergiss das nie.
    Am vorletzten Montag im September, am Fest der Einsammlung, traf das Parlament erneut zusammen, um darüber zu entscheiden, wer Richards Nachfolger werden sollte.
    Neville nahm gemeinsam mit Bolingbroke an der Sitzung teil. Die beiden Männer hatten in den letzten zwei Wochen außer ein paar Höflichkeiten nur das Nötigste miteinander gesprochen. Neville wusste, dass Bolingbroke ihn beobachtete, doch er fühlte sich nicht bedroht und hatte auch nicht den Eindruck, dass Bolingbroke ihn in irgendeiner Weise beeinflussen wollte.
    Er beobachtete ihn einfach nur.
    An diesem Tag, dem Fest der Einsammlung, stiegen Neville und Bolingbroke reich gekleidet in Samt und feinstes Leinen am Kai des Palastes von Westminster aus einem Kahn. Sie wurden von Raby, Graf von Westmorland, Roger Salisbury und Robert Courtenay sowie acht weiteren Rittern begleitet.
    Empfangen wurden sie von einer dreißig Mann starken Abordnung des Parlaments, die von Heinrich Percy Graf von Northumberland, angeführt wurde. Hinter ihm standen Sir Robert Tresilian, der Oberrichter des königlichen Gerichtshofes, und der erst vor Kurzem ins Amt berufene neue Erzbischof von Canterbury, William Arundel. Und dahinter wartete eine Reihe hochrangiger Adliger und Würdenträger aus ganz England.

    Ihre Gegenwart am Kai deutete bereits darauf hin, zu welcher Entscheidung das Parlament gelangt war.
    In einer würdevollen Prozession schritten sie zum Kapitelsaal der Abtei von Westminster. Bolingbroke war von den ranghöchsten Adligen umgeben, doch er hatte außerdem darauf bestanden, Neville an seiner Seite zu haben, und als sie den Kreuzgang der Abtei erreicht hatten, der zum Kapitelsaal führte, grinste Bolingbroke Neville über die Schulter hinweg spitzbübisch zu.
    Nevilles Mundwinkel zuckten, und auch er konnte ein Lächeln nicht ganz unterdrücken. Aus irgendeinem Grund musste er an die längst vergangenen Tage denken, als er und Bolingbroke noch Jungen gewesen waren, die kaum ihre schweren Übungsschwerter halten konnten, während sie von der Zukunft träumten: Bolingbroke, dass er irgendwie auf den englischen Thron gelangen würde, und Neville, dass er einen gewaltigen Kreuzzug ins Heilige Land anführen würde, um die Ungläubigen auf alle Zeiten aus den heiligen Stätten Jerusalems zu vertreiben.
    Nun, dachte Neville, als sie vor der Tür des Kapitelsaals stehen blieben, während dort dem versammelten Parlament ihre Ankunft verkündet wurde, Bolingbroke wird den Traum seiner Kindheit schon bald verwirklicht haben ... aber wie steht es mit mir?
    Wer wusste schon noch, wer die wahren Ungläubigen waren und gegen wen man einen Kreuzzug führen musste?
    Er blinzelte, denn in diesem Moment betrat Bolingbroke den kreisförmigen Kapitelsaal, und das Parlament - das versammelte Ober-und Unterhaus - erhob sich von seinen Plätzen.
    Northumberland, der den weißen Stab des Redners in der Hand hielt, trat vor und rief: »Lang lebe Heinrich von Lancaster, der König von England!«
    Und das gesamte Parlament stimmte in seinen Ruf mit ein. »Heinrich!
    Heinrich! Heinrich, der König von England! So sei es. Wir wollen Heinrich als König. Niemanden sonst. Heinrich!

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