Gesandter des Teufels
Heinrich!«
Bolingbroke hob die Arme, die Hände zu Fäusten geballt, und drehte sich langsam um die eigene Achse, während er den Blick über das versammelte Parlament gleiten ließ. Seine grauen Augen leuchteten, sein hübsches Gesicht war leicht gerötet, und Bolingbroke hatte noch nie so stattlich oder königlich ausgesehen wie in dem Augenblick seines größten Triumphs.
Viel später, als sich der Tumult größtenteils gelegt hatte und der Wein im großen Saal von Westminster bereits in Strömen floss, ergriff Bolingbroke Neville am Arm und zog ihn beiseite.
»Tom«, sagte er und näherte sich dabei so sehr seinem Ohr, dass niemand sonst im Saal ihn hören konnte. »Jetzt bist du der Einzige, der noch verhindern kann, dass ich auf den Thron gelange. Verstehst du?«
Neville nickte, und Bolingbroke schenkte ihm ein kleines Lächeln.
»Ich habe den Michaelistag zu meinem Krönungstag gewählt«, sagte Bolingbroke. »Das hielt ich für angemessen.«
Neville musterte ihn mit einem Blick, der nicht zu deuten war. Der Michaelistag war der Feiertag des Erzengels Michael.
Bolingbrokes Lächeln wurde breiter und er zwinkerte Neville zu, bevor er mit ihm wieder zu den Feiernden zurückkehrte.
KAPITEL 2
Mittwoch, 26. September 1380
Es gab noch eine Kleinigkeit, um die man sich kümmern musste, bevor Bolingbroke gekrönt werden konnte. Richard.
Am Nachmittag der Vigil vor dem Michaelistag ritt Neville mit seinem Onkel Raby und dem Grafen von Northumberland an der Spitze einer kleinen, aber prächtig gekleideten Abordnung durch die Straßen Londons. Die Stimmung in den Straßen war von überschwänglicher Freude geprägt - der strahlende Prinz Hai, der nie etwas Unrechtes getan hatte und auch nie tun würde, würde am kommenden Tag zum König von England gekrönt werden. All die Bitterkeit, die Enttäuschungen und Grausamkeiten der letzten achtzehn Monate hätten damit ein Ende gefunden. Ein goldenes Zeitalter war angebrochen. Wer wollte daran zweifeln?
Obwohl die Krönung kurz bevorstand und ihn Bolingbrokes Worte in den vergangenen fünf Tagen ständig verfolgt hatten, waren Nevilles Gedanken an diesem Nachmittag mit etwas vollkommen anderem beschäftigt. Margaret war am Morgen teilnahmslos und in düsterer Stimmung aufgewacht und hatte ihr Fasten nur mit etwas verdünntem Wein gebrochen.
Sie hatte nicht einmal Rosalind sehen wollen.
Stattdessen war sie in ihrem Gemach auf und ab gegangen und hatte sich mit einer Hand das Kreuz und mit der anderen die Stirn gerieben.
Agnes hatte Thomas einen vielsagenden Blick zugeworfen.
Nur Richard hatte Thomas an diesem Tag dazu bringen können, Margarets Seite zu verlassen ... und Margarets bissige Bemerkung, dass es ihr besser ginge, wenn er in den nächsten Stunden nicht jeden ihrer Schritte überwachte.
Also hatte sich Neville mit Agnes' beruhigenden Worten zufriedengegeben, dass vor dem Abend nicht viel passieren könnte, außer dass sich Margarets Laune noch weiter verschlechtern würde, und hatte sich wie vereinbart der Abordnung angeschlossen, die zu Richard geschickt wurde.
Die Menschen auf den Straßen riefen seinen Namen ebenso wie den von Bolingbroke, Raby und Northumberland, doch außer einem gelegentlichen Kopfnicken reagierte Neville kaum auf die Hochrufe der Menge. Ihm war nicht bewusst, dass ihm seine Sorge um Margaret und seine Gleichgültigkeit der Menge gegenüber eine Aura großer Autorität verliehen.
Raby, der den Grund für Nevilles Geistesabwesenheit kannte, bedachte ihn hin und wieder mit einem Lächeln, erleichtert darüber, dass Margaret ihm nun auch ein eigenes Kind schenken würde.
Richard stand am Fenster und sah zu, wie die Abordnung langsam durch das Löwentor auf den inneren Verteidigungsring zuritt.
Gedankenverloren drehte er an einem Diamantring, den er am Ringfinger seiner linken Hand trug.
Robert hatte ihm diesen Ring einst gegeben, und er war alles, was Richard von seinem Geliebten noch geblieben war.
Er blinzelte, als er sah, dass die Reiter durch das Gartentor zum Bergfried geritten kamen, und holte tief Luft.
Würde er also jetzt sterben müssen?
Richard hatte von der Entscheidung des Parlaments erfahren, ihn des Throns zu entheben - Verräter allesamt! -, doch er kannte sein endgültiges Schicksal noch nicht.
Er wusste lediglich, dass Bolingbroke nicht zulassen konnte, dass er am Leben blieb.
Und nun fragte er sich, wie lange der Prinz wohl warten würde, bevor er in der Tiefe der Nacht einen Henker zu ihm schicken
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