Gesandter des Teufels
der Regentschaft Richard II.
(Donnerstag, 30. August 1380) De Vere watete durch den zähen Sumpf, den verwundeten Arm fest an die Brust gedrückt. Er hatte ein großes Stück des Pfeils abgebrochen, der ihn getroffen hatte, doch die Spitze und etwa vier Zoll des Schafts steckten immer noch in der Wunde und bohrten sich mit jedem Schritt tiefer hinein.
De Vere litt schreckliche Schmerzen, aber er versuchte, nicht daran zu denken, sondern alle Anstrengungen darauf zu richten, sich so weit wie möglich von den Bogenschützen zu entfernen. Doch obwohl de Vere ein kräftiger Mann war, kam er nur langsam voran, denn unter seinen Füßen waren nichts als Wasser und Morast, und an manchen Stellen sank er bis zu den Oberschenkeln ein.
Die Geräusche des Kampfes hinter ihm waren verstummt, und de Vere verdoppelte seine Anstrengungen, weil er befürchtete, die Bogenschützen könnten ihn jeden Augenblick verfolgen. Oder zumindest ein paar Pfeile in seine Richtung abschießen.
Bestimmt ein Dutzend Mal fiel er hin, und jedes Mal musste er darum kämpfen, sich aus dem Griff des zähen Schlamms zu befreien, während der Schmerz in seiner Schulter immer wieder neu aufflammte. Er hatte einige Stängel Schilfrohr ausgerissen und biss darauf, um nicht vor Schmerz aufschreien zu müssen.
Ohne zu bemerken, wie die Zeit verging, watete er weiter voran, bis ihm plötzlich auffiel, dass er nicht nur vollkommen die Orientierung verloren hatte, sondern außer seinem eigenen keuchenden Atem auch nichts mehr hören konnte. De Vere blieb stehen, um sich umzuschauen. Seine Kräfte schwanden rasch, und er wusste, dass er festes Land erreichen musste, ehe er gänzlich zusammenbrach.
Er hob die rechte Hand und drückte sie gegen seine verwundete Schulter.
Die Wunde fühlte sich kalt und schleimig an.
De Vere fluchte laut. Dann schloss er die Augen und atmete tief durch, um den Schmerz zu vertreiben.
Nach einer Weile öffnete er die Augen wieder, wischte sich den Schlamm vom Gesicht und sah sich um. Er hätte doch eigentlich längst auf festem Grund sein müssen. Befanden sich die Felder - und Richards Heer - nicht dort vorn?
Doch durch das dichte, mannshohe Schilfrohr hindurch konnte er kaum etwas erkennen.
Er blieb stehen und versuchte, leise zu atmen und zu lauschen.
Außer Vogelgezwitscher und dem Quaken der Frösche war allerdings nichts zu hören.
Warum hatte ihn niemand verfolgt?
»Sie wollen sich wohl keine nassen Füße holen«, sagte de Vere mit so viel Spott, wie er aufzubringen vermochte.
Die Tapferkeit verließ ihn jedoch augenblicklich wieder, und stattdessen kamen ihm allerlei Geschichten von Kobolden und Dämonen in den Sinn, die Zwischenwelten wie diese bewohnten.
Er verzog das Gesicht, wütend darüber, dass er sich von solchen Kindermärchen ins Boxhorn jagen ließ, und begann leise, aber so schnell wie möglich, in die Richtung zu waten, in der er die Felder vermutete.
Richard sollte verflucht sein - wenn es nach ihm ging, konnte Bolingbroke ihn ruhig vierteilen lassen.
De Vere begann zu hoffen, dass Bolingbroke genau das tun würde. Wenn Richard mit seinen widernatürlichen Gelüsten nicht wäre, würde er sich jetzt nicht hier befinden. Lieber Gott, wenn ihm der kleine Schwachkopf jemals wieder in die Hände fiel...
Mit klopfendem Herzen blieb de Vere stehen.
Er hatte hinter sich ein Geräusch gehört.
Es war kein Vogel gewesen und auch kein Frosch.
Überhaupt kein kleines Tier.
Wieder war das Geräusch zu hören - ein merkwürdiges Trillern. Und de Vere wusste augenblicklich, dass es nicht von dieser Welt war ... nicht von Gottes Welt.
Er sog scharf die Luft ein und versuchte, nicht die Nerven zu verlieren.
Aus welcher Richtung war es gekommen ?
Wieder war das hohe Trillern zu hören ... dieses Mal sehr viel näher.
Und es kam weiter auf ihn zu.
De Vere geriet in Panik, als er hörte, wie das Geschöpf hinter ihm - nein, zu seiner Linken - durch das Schilf brach. Eilig stolperte er vorwärts, ohne auf den Lärm zu achten, den er dabei verursachte, denn er wusste, dass das Geschöpf ihm auf den Fersen war. Er wusste, dass es ihn riechen konnte und dass sich die grässliche Ausgeburt der Hölle jeden Augenblick auf ihn stürzen würde ...
Das Geschöpf setzte zum Sprung an und kam so dicht hinter de Vere auf, dass er spürte, wie das Schilfrohr umknickte und gegen seinen Hinterkopf peitschte.
Er schrie verzweifelt, denn inzwischen wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass irgendjemand durch das
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