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Gesang der Rosen

Gesang der Rosen

Titel: Gesang der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Nacht.«
    »Du gehst schon schlafen? Wieso denn?«
    »Ich bin müde.«
    »Gute Nacht.«
    »Gute Nacht«, sagte André noch einmal, nickte dem Vater zu und trat in den Flur hinaus. Langsam stieg er die dunkle Treppe hinauf, leise schlug eine Tür ins Schloß, dann war es still.
    Marcel Tornerre las auch nicht mehr lange die Zeitung. Bald begann er zu gähnen, zog den Rock aus, hängte ihn über die Lehne seines Stuhles, machte das Licht aus, ging zur Haustür und vergewisserte sich, daß sie abgesperrt war. Wenig später sank er neben seiner Gattin unbemerkt ins Ehebett. Sie hatte eine Schlaftablette genommen und lag in tiefem Schlummer. Trotzdem stellte er einen Versuch an, sie zu wecken. Er wollte ihr von den merkwürdigen Gedanken ihres Sohnes berichten.
    »Yvonne …«
    Nichts.
    »Yvonne …«
    »Was denn? Laß mich doch schlafen!«
    Da gab er es auf.
    *
    Vor dem gestrengen Blick des Abbé Bayons fühlte sich selbst ein Junge wie André Tornerre ein wenig unwohl, der sich an den Priester eigentlich längst hätte gewöhnen müssen, war er doch schon oft genug im Pfarrhof zu Besuch gewesen, nicht zuletzt als Lateinschüler. Doch um die Erweiterung seiner Kenntnisse in der schönen Sprache der alten Römer ging es diesmal nicht. Etwas ganz anderes hatte ihn hergeführt.
    Der Abbé Bayons, ein schwerer, breitschultriger und die Grenze des Ungeschlachten streifender Mann, dem die Soutane das Gewicht einer erdrückenden geistlichen Autorität verlieh, blickte erstaunt auf den Küsterjungen und wußte erst einmal nicht, was er von der Bitte, die er soeben hatte hören müssen, halten sollte.
    »Du willst einige Originale der Troubadourlieder aus dem Kirchenarchiv haben?« fragte er deshalb noch einmal, um sich zu vergewissern, daß er André richtig verstanden hatte. »Weißt du denn, was das heißt? Ich kann mir gar nicht denken, daß das dein Ernst ist.«
    »Doch, Hochwürden.«
    »Du lieber Himmel, du mußt verrückt sein!«
    »Hochwürden, ich …«
    »André«, unterbrach ihn der Priester, »erstens sind diese Originale kostbare Schätze, die nicht so ohne weiteres herausgegeben werden dürfen. Museen und Bibliotheken in Paris streiten sich mit uns um sie, seit sie aufgefunden wurden. Die Herren dort trifft der Schlag, wenn sie hören, daß ich deinem Wunsche willfahren habe. Und zweitens ist der Inhalt dieser Originale auch nicht etwas, mit dem ich dich unbedingt bekannt machen möchte. Diesen Troubadouren wird nämlich, wenn du mich fragst, zuviel der Ehre erwiesen. Verstehst du mich, was ich meine?«
    »Nein.«
    »Dann muß ich deutlicher werden: Die waren zumeist recht lockere Vögel, denen, wenn man zwischen ihren Zeilen zu lesen versteht, die Unsittlichkeit etwas Erstrebenswertes war. Auf französisch gesagt: Sie hatten nur die Weiber im Kopf!«
    »Hochwürden …«
    »Es wird Zeit, daß ich auf dieses Kapitel auch einmal von der Kanzel herab zu sprechen komme.«
    »Hochwürden …«
    »Das wird natürlich Aufsehen erregen, teilweise unliebsames, aber das soll mir egal sein.«
    »Hochwürden«, setzte zum drittenmal André an, den der Abbé, ein Verfechter der Sittlichkeit durch alle Jahrhunderte hindurch, nun endlich auch ausreden ließ, »mich interessiert nicht der Inhalt, sondern nur die Form.«
    »Welche Form? Ich verstehe dich nicht.«
    »Die Schrift, die Buchstaben.«
    »Die Schrift?«
    »Und die Zeichen.«
    »Welche Zeichen?«
    »Das ganze alte Bild dieser Originale.«
    »Und was hättest du davon?«
    »Ich möchte gern diese Schrift schreiben lernen.«
    »Wozu?«
    »Zum Beispiel, um aus der Bibel wichtige Stellen abzuschreiben und sie Ihnen zur Verfügung zu stellen. Ich würde das mit heiligem Eifer tun.«
    Andrés Lüge schrie zum Himmel, aber das Charakteristikum solcher Schreie ist bekanntlich ihre Lautlosigkeit, so daß sie oft nicht gehört werden.
    »Hättest du denn überhaupt eine Bibel?« fragte der Abbé.
    »Auch um eine solche würde ich Sie bitten, Hochwürden.«
    »Du hast also keine?«
    »Doch, aber die ist schon sehr abgegriffen und nicht mehr vollständig, vom vielen Gebrauch, wissen Sie.«
    Der Abbé lächelte.
    »Dann will ich dir eine neue schenken.«
    »Danke, Hochwürden, das wäre schön.«
    »Was ist mit dem Schreibzeug? Hast du denn geeignetes Schreibzeug?«
    »Sie meinen Feder, Tinte, Papier?«
    »Ja.«
    »Habe ich. Ich brauche nur noch die Originale, Hochwürden.«
    Der Abbé blickte zum Kruzifix an der Wand und holte sich von dort einen letzten Ratschlag. Dann nickte er

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