Gesang des Drachen
Bitte könnte ich nicht ablehnen.«
Niraa drehte sich zu ihm um. Naburo fiel auf, dass sie nicht roch, wie es Elfen taten. Weder nach Blüten noch nach Morgentau. »Ihr würdet für meinen Sohn gegen den Steingroll kämpfen, der unser Dorf bedroht, wenn ich Euch darum bäte?«
»Nun ...« Er zögerte. Wenn es auf dem Weg liegt, hätte er beinahe gesagt. »Zunächst einmal möchte ich mehr wissen. Berichtet mir, was es mit diesem Steingroll auf sich hat.«
Als Naburo die gut besuchte Gaststätte betrat, sah er Spyridon am Tresen sitzen und ihm mit fieberndem Blick entgegenschauen. Neben dem Ewigen Todfeind stand ein Humpen Bier. Die Dorfbewohner machten Naburo respektvoll Platz. In ihren Blicken lag die Neugierde der Kinder, doch sie hielten Abstand und begnügten sich damit, ihre Gespräche leiser zu führen und ihn zu beobachten.
»Und?«, fragte Spyridon. Er senkte die Stimme. »Hast du herausgefunden, was dich beunruhigt hat? Wollen sie tatsächlich eine Jungfrau opfern?«
»Nein. Wir nehmen einen Säugling mit, wenn wir weitergehen.«
»Ich würde lachen, wenn ich wüsste, dass du scherzen kannst, Naburo.«
»Ich scherze nicht.«
»Ein Baby?«
»Dieses Dorf wird seit Jahren von einem Steingroll heimgesucht, der einen Säugling fordert. Mit dem Blut des Kindes mehrt er seine Macht. Sicher weißt du, wie wertvoll solches Blut für diejenigen sein kann, die sich der Blutmagie verschrieben haben.«
»Wir nehmen ein Baby mit nach Cuan Bé?«
»Nicht bis nach Cuan Bé, bloß in die Richtung. Das Kind trägt ein Mal, das den Steingroll anzieht. Wenn er auftaucht, muss er es sich von mir holen. Auf diese Weise kann ich den Säugling schützen und dich begleiten.«
»Aye, General«, stimmte Spyridon zu. »Das ist eine gute Idee. Wenn der Steingroll nicht bereit ist, den Handel mit dem Dorf zu lösen, werden wir ihn töten. Ist das dein Plan?«
»Ja.«
»Bitte schön. Vielleicht hält es uns ein wenig auf, und ich nehme an, ich kann dich ohnehin nicht umstimmen, oder?«
»Nein.«
»Gibt es noch etwas, das du mir mitteilen möchtest, oder soll ich es aus deiner weiß gepuderten Nase herausziehen?«
»Das war alles.« Naburo überlegte. »Fast. Sie heißen Niraa und Ruunik. Die Mutter und das Kind. Und der Steingroll heißt Onyx. Er kämpft mit einer Axt, die so lang ist wie er selbst, und er ist eines der ältesten Wesen Innistìrs.« Naburo berührte unbehaglich seinen Nasenrücken. Hatte er etwas vergessen? Er wollte Spyridon nichts vorenthalten.
Spyridon griff kopfschüttelnd nach seinem Humpen und gönnte sich einen kräftigen Zug. »Reise mit einem General aus Bóya, und du hast niemals Langeweile.«
Naburo wusste, dass Spyridon nicht ernsthaft böse auf ihn war – schließlich hatte der Ewige Todfeind ihn aufgefordert, nach der Frau zu sehen und sich der Angelegenheit anzunehmen. Im Grunde sind wir beide ungewöhnlich für Elfen, und Spyridon hat eine Art zu fühlen, die weit über das hinausgeht, was ich von anderen in meinem Umkreis gewohnt bin.
Trotz des ironischen Untertons Spyridons und der Streitigkeiten der Vergangenheit fühlte Naburo sich in der Gegenwart des anderen wohl. Spyridon wurde ihm mehr und mehr vertraut. Er wusste, dass er sich blind auf ihn verlassen konnte, auch im Kampf gegen den Steingroll. Darüber mussten sie nicht sprechen.
»Lass uns etwas essen«, schlug Naburo vor. »Wir haben ein wenig Luft bis zur Abreise, und vielleicht ist es die letzte warme Mahlzeit, bevor wir den Vulkan finden.«
Sie zogen sich an einen abseits stehenden Tisch zurück. Etwas entfernt spielte ein einbeiniger Musikant Fiedel. Naburo trank Wasser, während Spyridon sich ein weiteres herbes Bier gönnte, dass von den Menschen der Siedlung selbst gebraut wurde.
»Wir nehmen ein Baby mit«, wiederholte Spyridon fassungslos. »Bei Odin und den Asen, manchmal weiß ich einfach nicht, woran ich bei dir bin, Naburo. Kannst du eigentlich durch die Gegend laufen, ohne die Welt zu retten?«
»Es ist meine Aufgabe, der weißen Flamme zu dienen. Ob nun in Bóya oder anderswo. Ich habe mich dem verschrieben.«
»Schon gut«. Spyridon winkte ab. »Ein Kampf wird mir nicht schaden. Ich bin so wütend auf Alberich, dass ich es kaum mehr ertragen kann.« Er sah Naburo lange und eindringlich an.
Der General spürte deutlich, dass Spyridon etwas Bestimmtes von ihm wollte, aber nicht mit der Sprache herausrückte. Allmählich entstand eine Vertrautheit zwischen ihm und dem Ewigen Todfeind, die Naburo in
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