Gesang des Drachen
hervorstachen. »Ich komme zur Feier wie andere. Die meisten Einwohner sind Menschenabkömmlinge. Stinkende Langbeiner, aber ihr Essen ist gut.«
Naburo verkniff sich einen Kommentar, schließlich hatten auch er und Spyridon lange Beine.
Firkanz warf Spyridon einen abschätzenden Blick zu. »Ist dein Freund krank? Der alte Firkanz hat gute Kräuter. Die hat er. Für ein, zwei Münzen geb ich sie gern an so edle Herren ab.«
»Es geht mir gut«, lehnte Spyridon brüsk ab. »Und ich kann für mich selbst sprechen.«
»Oh-ho! Stolz seid ihr beide. Krieger, was?« Er wies auf die Schwerter.
Das Geplapper des Kleinen ging Naburo auf die Nerven, und einen Moment gab er sich dem Wunschgedanken hin, Firkanz vom Wagenbock zu stoßen. Natürlich würde er das niemals tun, aber die Vorstellung, wie das borkige Wesen durch den Staub zur Wiese hin kullerte, hatte etwas für sich. »Verzeiht die neugierige Frage, aber ... was bist du?«
Der Alte verzog das Gesicht und lachte gackernd. »Ein Grulim, wenn's beliebt. Das bin ich, jawohl. Nachfahre von Hobbs und anderen. In Innistìr bin ich, seit Seine Exzellenz, der gute Priesterkönig, mir Asyl gewährte. Und ihr zwei? Ihr scheint mir nicht sehr lange in diesem Reich zu leben, wenn ihr noch nie vom Dorf Gastun und seinem ehrwürdigen Brauch gehört habt.«
»Wir sind Reisende.« Spyridon wich der Frage aus.
»Was ist dieser Brauch?« Naburo konnte nicht den Finger darauf legen, aber etwas in seinem Leib kribbelte, wann immer Firkanz die Sprache auf dieses Ereignis brachte. Seine Sinne schlugen an und warnten ihn. »Werden Reisende einbezogen?« Vielleicht als Hauptmahlzeit? Bei allem, was er in Innistìr bereits erlebt und gehört hatte, war Misstrauen angeraten.
»Och, der Brauch an sich ist nichts Besonderes. Berühmt ist das Fest wegen des Tanzes, der guten Speisen und des Biers. Auch der Feen-Schnaps ist begehrt. Lässt dich fühlen, als würdest du über der Erde gehen, jawohl. Wie's in der Menschenwelt sein soll.«
Naburo achtete nur auf die wesentlichen Informationen in Firkanz' Redefluss. »Es ist ein Erntefest, oder? Gibt es Opfergaben?« In Bóya hatte es immer wieder barbarische Opfergaben in kleinen Seedörfern gegeben. Naburo war selbst bei einem solchen Fest zugegen gewesen, bei dem eine Meerjungfrau, gefesselt in einem Netz, an einen Kraken verfüttert werden sollte, um das Wohlwollen der Erntegeister zu erhalten.
»Das geht uns nichts an«, presste Spyridon hervor, ehe Firkanz antworten konnte. »Wir müssen ohnehin weiter.«
Naburo schwieg und musterte Spyridon aus den Augenwinkeln. Der Ewige Todfeind veränderte sich. In seinem Gesicht lag wieder dieser Ausdruck, der Naburo zum Schaudern brachte. Außerdem geschah etwas mit seinem Gesicht. Eine Ader an der Schläfe hatte sich dunkler verfärbt und zog sich wie ein Kratzer zur Stirn hin. Unwillkürlich musste Naburo an eine Blutvergiftung denken.
»Der Herr hat recht«, krähte Firkanz und lachte. »Nehmt den Schnaps und das Bier, wenn's beliebt, aber grabt nicht zu tief, sonst findet Ihr womöglich Dinge, die Ihr gar nicht ans Licht zerren wollt, edler Krieger.«
Was ich wissen will und was nicht, entscheide immer noch ich, dachte Naburo ohne große Gefühlsaufwallung. Von einem Wesen wie Firkanz ließ er sich nicht provozieren, und in diesem Fall konnte er sich auch nicht von Spyridon beeinflussen lassen. In ihm loderte die weiße Flamme Bóyas, der er sich verschrieben hatte.
Er blieb wachsam, während sie in das Dorf einfuhren. Das Gefühl, bald in die Schlacht ziehen zu müssen, verstärkte sich, obwohl äußerlich nichts auf eine Bedrohung hinwies.
Kinder in bunten Gewändern, gekrönt mit Erntekränzen, rannten ihnen entgegen und johlten. Ein paar hundeähnliche Tiere kläfften fröhlich, der würzige Geruch nach gebratenem Fleisch wehte ihnen lockend entgegen.
Sie fuhren auf eine Ansammlung von mindestens achtzig Hütten zu. Es gab keinen Grenzwall, aber Naburo spürte eine unsichtbare Mauer, die sie passierten. In gemächlichem Tempo kamen sie auf einen breiten Platz, auf dem mehrere Scheiterhaufen standen. Figuren aus Stroh lagen auf dem sorgfältig geschichteten Holz. Noch war es nicht völlig dunkel geworden, doch bald würde die Nacht anbrechen. Auf dem Platz hatten sich mehrere Menschen versammelt, die in Gruppen beieinanderstanden, lachten und tranken. Fast alle trugen Blumenkränze um Kopf oder Hals.
Naburo suchte die Umgebung mit Blicken ab und fand nichts Bedrohliches. Die
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