Gesang des Drachen
Blick hätte auch ihm gelten können.
Ein Raunen ging durch die Menge. An den Köpfen der Zuschauer vorbei sah er, dass Rimmzahn seine Hütte verlassen hatte und in die Morgensonne blinzelte. Der Schattenelf war so durchscheinend, dass Peddyr glaubte, er müsse sich wie Frühnebel im ersten Tageslicht auflösen. Doch das geschah nicht. Er und Rimmzahn betraten den Platz.
Stoff raschelte, als die Menge auf die Knie sank. Peddyr machte die Bewegung mit, um nicht aufzufallen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Cedric zwischen den Hütten verschwand.
»Gelobt sei der Schattenlord an diesem sonnigen Tag«, sagte Rimmzahn.
»Gelobt sei unser Herr«, antwortete die Menge.
»Erhebt euch!« Rimmzahn wartete, bis alle standen, dann wandte er sich den Waffenträgern zu. »Wie schreitet die Ausbildung voran?«
Einer der Iolair hob den Kopf, aber ein kleiner, leicht übergewichtiger Mann, der Kopftuch und Armbinde trug, kam ihm zuvor. »Der Schattenlord führt die Hand unserer Krieger, Prophet. Niemand kann sie aufhalten.«
Rimmzahn nickte. »Das ist gut, Frans, denn wir werden sie bald benötigen. Wie ihr alle wisst, sind uns nicht alle hier in Cuan Bé wohlgesinnt. Manche fürchten sich vor der neuen Welt, in die der Schattenlord uns führen wird, andere neiden uns unseren festen Glauben.«
Peddyr hörte zustimmendes Gemurmel aus den Reihen der Zuschauer.
»Diesen Widerstand«, fuhr Rimmzahn fort, »müssen wir an der Wurzel packen, bevor er zu einem Unkraut heranwächst, das uns alle erstickt.« Er wartete einen Moment, als wolle er sicherstellen, dass jeder auf dem Platz das Bild verstanden hatte. »Aus diesem Grund werden sich ab sofort drei Dinge ändern. Erstens: Unsere Krieger werden unter Leitung ihrer Iolair-Ausbilder durch den Krater patrouillieren und nach radikalen Ungläubigen suchen. Ich weiß aus guter Quelle, dass es sie gibt und dass sie Anschläge auf uns erwägen.«
Rimmzahn drehte den Kopf und nickte jemandem zu, der ein Stück entfernt von ihm zwischen den Zuschauern stand. Peddyr presste die Lippen aufeinander, als er sah, dass es Maurice war.
Ich bin die Quelle, dachte er. Die Scham, die er bei diesem Gedanken fühlte, trieb ihm die Tränen in die Augen.
»Zweitens: Mir ist zu Ohren gekommen, dass diejenigen, die sich im Kampf für unseren Glauben besonders hervorgetan haben und dafür mit einem weißen Kopftuch belohnt worden sind, von manchen verhöhnt werden. Damit ist Schluss. Ihr offizieller Name lautet Glaubensheer. Wenn ihr von ihnen sprecht, als Glaubenskrieger. Ungläubige, die abwertende Bezeichnungen verwenden, werden bestraft.«
Frans streckte das Kinn vor, so als wolle er alle herausfordern, die ihn je beleidigt hatten, doch die Zuschauer wirkten zum ersten Mal zwiegespalten. Nicht allen schien die neue Regelung zu gefallen.
Rimmzahn entging das nicht. »Denkt daran, dass der Schattenlord ebenso durch sie spricht wie durch mich. Wer sie beleidigt, beleidigt auch ihn. Wollt ihr den Ungläubigen diesen Frevel erlauben?«
»Nein!«, rief die Menge im Chor.
»Das hätte mich auch gewundert.« Rimmzahn machte erneut eine Pause. Peddyr ahnte, dass das, was nun folgen würde, das Herzstück seiner kleinen Rede war. Er sah sich noch einmal nach Cedric um, konnte jedoch weder ihn noch einen der anderen Sucher finden. Wahrscheinlich hörten sie Rimmzahn aus einer der Hütten zu.
»Drittens möchte ich mich bei all den Bauern, Knechten und Handwerkern bedanken, die von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang so hart für uns arbeiten. Der Schattenlord wird eure Mühen nicht vergessen.«
Er klatschte, nach einem Moment fiel die Menge in den Applaus ein. Manche Elfen klatschten ungeschickt, weil ihnen die Geste nicht vertraut war, aber ebenso wie Peddyr errieten sie ihre Bedeutung. Als Rimmzahn die Hände sinken ließ, endete der Applaus so plötzlich, als habe man ihn abgeschnitten. Nur ein älterer Elf, der Kleidung nach ein Bauer, klatschte weiter. In seiner Begeisterung bemerkte er erst, dass er der Einzige war, als sein Nachbar ihm den Ellenbogen in die Rippen stieß. Der Bauer hielt erschrocken inne und errötete.
Peddyr fand das komisch, aber niemand lachte.
»Mir ist jedoch zu Ohren gekommen«, sagte Rimmzahn, »dass manche diese ehrliche Arbeit zu ihrem eigenen Vorteil nutzen. Ungläubige schlagen sich im Gemeinschaftsraum die Bäuche mit unserer Ernte voll. Manche verkaufen sie sogar auf dem Markt.«
Die Empörung der Menge war deutlich zu spüren.
»Bis jetzt habe ich das durchgehen
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