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Gesang des Drachen

Gesang des Drachen

Titel: Gesang des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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sollen.«
    Karin nickte, als sei es vollkommen normal, jemanden aus Bequemlichkeit sterben zu lassen.
    Kümmere dich nicht um das, was sie sagen. Ihre Worte haben keine Bedeutung.
    »Er braucht nur ein paar Eimer Wasser«, sagte Peddyr trotzdem. Mit dem Kinn deutete er auf einige Fässer, die neben der Feuerstelle standen. »Ihr habt hier mehr als genug.«
    Die beiden Frauen beachteten ihn nicht mehr. »Du übernimmst die erste Wache«, sagte Bridget. »In ein paar Stunden kannst du mich wecken.«
    Karin ballte die rechte Hand zur Faust und ließ die Knöchel knacken. »Wirst du Frans sagen, wer sie überwältigt hat, oder muss ich das tun?«
    Bridget drehte sich um und winkte ab. »Keine Sorge. Du wirst deine Armbinde schon noch bekommen.«
    Dann ging sie zu ihrem Bett. Karin setzte sich einige Schritt entfernt auf einen flachen Felsen und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Peddyr kroch zurück zu dem Rinnsal an der Wand und befeuchtete den Stoff aufs Neue. Er machte sich Vorwürfe, spielte in seinem Kopf immer wieder die Entscheidungen durch, die ihn und Marcas an diesen Punkt gebracht hatten.
    Es ist alles meine Schuld.
    Nach einer Weile begannen seine Ellenbogen und Knie zu schmerzen, dann zu bluten, aber Peddyr hörte nicht auf. Er kroch zum Wasser, benetzte den Stoff und kroch zurück zu Marcas. Anfangs reagierte der Freund auf jede Berührung, doch irgendwann lag er still.
    Peddyr konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, bis er das bemerkte. Er spürte einen dumpfen Druck in seinem Magen.
    »Marcas?«
    Keine Antwort. Vorsichtig berührte er einen Tentakel. Er fühlte sich hart und brüchig unter seinen Fingerspitzen an.
    »Marcas?«
    Wo sind all die Fische hin?
    »Was?«
    Ich will nur noch einmal spielen, aber hier sind keine Fische.
    Peddyr legte sich neben ihn. Marcas' Augen waren geschlossen, aber er sah, dass sie sich unter den Lidern bewegten. Träumte er?
    »Hab keine Angst«, flüsterte er. »Du wirst bald wieder mit ihnen spielen können.«
    Nein. Ich werde nie wieder spielen.
    Sein Körper zuckte plötzlich, wand sich in Krämpfen. Marcas riss die Augen auf und stieß einen krächzenden Schrei aus. Haut, hart wie Baumrinde, platzte von seinem Kopf ab.
    Karin sprang auf. »Was zum Teufel ist hier los?«
    Peddyr schluckte Tränen hinunter. Er wollte seinen Freund umarmen, hatte aber Angst, ihm wehzutun. »Es wird alles gut, Marcas. Alles wird gut. Denk an den Fluss und ...«
    Der zweite Schrei weckte Bridget. Auch sie kam näher.
    Marcas zuckte und wand sich. Schaum trat vor seinen Mund. Alles in ihm schien sich zusammenzukrampfen. Armlange Hautstücke platzten von seinen Tentakeln ab, Risse zogen sich durch seinen Kopf, der plötzlich anschwoll, bis seine Augen unter der harten, knisternden Haut nicht mehr zu sehen waren.
    »Verdammt, ist das widerlich«, stieß Bridget angeekelt hervor.
    Peddyr liefen Tränen über die Wangen. »Es tut mir leid, Marcas. Es tut mir so leid.«
    Unter der abgeplatzten Haut sah er eine seltsam glänzende schwarze Hülle. Die Tentakel schienen miteinander zu verschmelzen, bis auch sie Teil der Schwärze waren. Die Stricke rutschten zu Boden, als sich die Hülle zusammenzog. Es knackte, als würden Knochen brechen, aber Marcas schrie nicht mehr. Alles, was an ihn erinnerte, wurde von der Hülle eingesogen, die sich aufblähte wie ein Ballon.
    Dann lag er still.
    »Wow«, sagte Bridget.
    Karin ging um den schwarzen Ballon herum, betrachtete ihn ebenso misstrauisch wie fasziniert. »Ist er tot?«
    Der Ballon explodierte.
    Seine Fetzen klatschten Karin ins Gesicht, Peddyr riss erschrocken die gefesselten Arme hoch, Bridget wich zurück. Graues, heißes Wasser spritzte über den Boden, es roch nach Fluss und Blut.
    Als Peddyr die Arme herunternahm, sah er schwarze, schimmernde Flügel, die sich entfalteten. Ihr Wind wehte ihm ins Gesicht. Ein Stachel schoss dazwischen hervor und traf Karin in die Brust. Dann stieg die Gestalt empor, bis sie unter der Höhlendecke hing. Ihre Flügel waren breite Dreiecke, jedes so lang wie ein ausgewachsener Mann. Der Stachel, zu dem Marcas' Tentakel geworden war, zuckte durch die Luft. Der Kopf war mit den Überresten seiner harten Haut gepanzert. Es sah aus, als trüge er einen Kragen. Aus runden braunen Augen sah er Peddyr an.
    »Ich bin nicht tot.« Seine Stimme donnerte durch die Höhle. Mit einem Flügelschlag schleuderte er Bridget gegen die Wand auf der anderen Seite. »Ich bin erwachsen.«
    Peddyr starrte ihn an. »Alter

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