Geschäfte mit der Ewigkeit
Ihnen zu helfen.«
»Ich weiß nicht«, sagte der Mann. »Ich sah nur die offene Tür und kam herein.«
»Die Tür ist nie verschlossen.«
»Ich dachte – ich hoffte ...«
Er wußte nicht, was er sagen sollte und stand stumm da.
»Wir alle müssen hoffen«, sagte Knight. »Wir alle haben den Glauben.«
»Das ist es wohl«, sagte der Mann. »Ich habe keinen Glauben. Wie bekommt man den Glauben? Woran kann ein Mensch glauben?«
»An ein immerwährendes Leben«, erklärte Knight. »Daran müssen wir glauben. Und an vieles andere.«
Der Mann lachte – ein leises, hartes, brutales Lachen. »Aber das haben wir bereits. Wir haben das immerwährende Leben. Und wir brauchen den Glauben nicht.«
»Nicht das immerwährende Leben«, sagte Knight. »Nur ein verlängertes Leben. Über diesem verlängerten Leben steht ein anderes, besseres Leben.«
Der Mann hob den Kopf. Seine Augen wurden hart, wie zwei kleine brennende Punkte.
»Sie glauben das, Hirte? Sie sind der Hirte, nicht wahr?«
»Ja, ich bin der Hirte. Und ich glaube es.«
»Dann verstehe ich nicht, was das alles soll – die Verlängerung des Lebens. Wäre es nicht besser ...«
Knight schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich behaupte nicht, daß ich es weiß. Aber wenn Gott es zuläßt, kann ich es nicht bezweifeln.«
»Weshalb läßt er es nur zu?«
»Vielleicht ist ein längeres Leben eine bessere Vorbereitung auf den Tod.«
»Man spricht von ewigem Leben«, sagte der Mann, »von Unsterblichkeit. Was soll dann Gott? Wir brauchen das andere Leben nicht, wenn wir es schon haben.«
»Vielleicht«, sagte Knight. »Aber dann betrügen wir uns selbst. Und die Unsterblichkeit, von der man spricht, ist vielleicht etwas, das wir uns gar nicht wünschen. Wir könnten ihrer müde werden.«
»Und Sie, Hirte? Was ist mit Ihnen?«
»Mit mir? Ich verstehe nicht.«
»Welches Leben ziehen Sie vor? Wollen Sie sich einfrieren lassen?«
»Also, ich ...«
»Ich verstehe«, sagte der andere. »Leben Sie wohl, Hirte, und vielen Dank, daß Sie es versucht haben.«
10
Frost ging müde die Treppe hinauf und schloß sein Zimmer auf. Er machte die Tür hinter sich zu und hing den Hut an den Haken. Er ließ sich in einen alten, schäbigen Lehnstuhl fallen und sah sich um.
Und zum erstenmal im Leben ekelte ihn die Ärmlichkeit und die Verwahrlosung an.
Das Bett stand in einer Ecke, und in der anderen waren ein winziger Ofen und ein Vorratsregal. Ein abgetretener Teppich, an manchen Stellen durchgescheuert, bedeckte den Boden nur zum Teil. Vor dem einzigen Fenster stand ein kleiner Tisch, und hier aß oder schrieb er. Noch ein paar Stühle waren zu sehen und eine schmale Truhe und die offene Tür eines winzigen Schrankes, in dem seine Kleider untergebracht waren. Und das war alles.
So leben wir, dachte er. Nicht nur ich, sondern Milliarden außer mir. Nicht, weil es uns so gefällt oder weil wir es uns so wünschen. Sondern weil dieses armselige Leben, das wir uns auferlegt haben, eine Art Ratenzahlung für das zweite Leben darstellt – vielleicht den Lohn für die Unsterblichkeit.
Er saß verbittert da, und die Bitterkeit und der Schmerz betäubten ihn halb.
Eine Viertelmillion Dollar, dachte er, und er mußte ablehnen. Nicht, weil er unbestechlich war, nicht aus Edelmut, sondern aus Angst. Aus Angst, daß es eine Falle von Marcus Appleton sein könnte.
Joe Gibbons war sein Freund und Mitarbeiter, aber Joes Freundschaft konnte gekauft werden, wenn die Summe groß genug war. Auf Frosts Zunge lag ein bitterer Geschmack. Wir alle können gekauft werden, dachte er. Es gab keinen Menschen auf der Welt, der nicht für einen Handel zu haben war.
Und das alles für den Preis, den jeder zahlen mußte, um ein zweites Leben zu bekommen – das Sparen und Knausern und Zusammenkratzen, ohne das es nicht ging.
Es hatte alles vor weniger als zweihundert Jahren angefangen. Ein Mann namens Ettinger hatte es ins Rollen gebracht. Weshalb, so fragte Ettinger, mußten die Menschen sterben? Weshalb mußten sie jetzt an Krebs sterben, wenn Krebs vielleicht in zehn Jahren heilbar war? An Altersschwäche, wenn es in hundert Jahren Mittel gegen das Altern gab?
Es ist lächerlich, sagte Ettinger. Es ist eine Schande und ein Betrug und eine Vergeudung. Wir brauchen nicht zu sterben. Es gibt eine Möglichkeit, dem Tod zu entkommen.
Man hatte schon früher davon gesprochen und damit spekuliert, aber Ettinger hatte als erster gesagt: Wir müssen etwas tun!
Wir
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