Geschenke aus dem Paradies
ausgehen! Jetzt halt den Mund und genieß die Fahrt. Es ist nicht weit.«
Zu ihrem Entsetzen stellte Nel fest, dass es ihr recht gut gefiel, herumkommandiert zu werden. Es war erholsam.
»So, ich glaube, gleich hinter dieser Abzweigung muss es sein. Ja, da wären wir, Zum schwarzen Hirschen.«
Nel hatte zwar nicht richtig geschlafen, aber ihre Gedanken waren ein wenig abgeschweift. Jetzt schalteten ihre Sinne mit einem Ruck wieder auf Alarm. Es gab doch keine schwarzen Hirsche! Schon wieder eine Gaunerei? Oder sollte es Zum schwarzen Herzen heißen?
»Ich schaue mal, wo ich parken kann, ohne dass du in eine Pfütze treten musst«, sagte der Gauner, der verdächtig nach Gentleman klang.
Während Jake nach einer ihm genehmen Parklücke suchte, glaubte Nel, Simons Auto entdeckt zu haben. Sie war berüchtigt für ihr schlechtes Gedächtnis, was Autos betraf, aber Nummernschilder konnte sie sich eine Spur besser merken. Es war eindeutig Simons Wagen.
Was sollte sie tun? Was sagen? Sollte sie verlangen, dass sie woanders hingingen? Nein, Jake wollte in diesem Restaurant essen, er hatte Mühe gehabt, einen Tisch zu bekommen, er war bereits hunderte von Meilen gefahren. Es wäre nicht fair, einen Wechsel der Lokalität zu verlangen, vor allem, da sie keine Ahnung hatte, wo sie sonst hingehen könnten. Wenn sie Simon sah, würde sie ihm einfach erklären, dass sie ihr Treffen hatten vorverlegen müssen und dass der heutige Abend der einzige verfügbare gewesen sei. Jake war ein viel beschäftigter Anwalt aus London und hatte bestimmt einen übervollen Terminkalender. Außerdem würden sie sich vielleicht gar nicht begegnen. Der Pub, der offensichtlich zu einem Restaurant aufgemotzt worden war, wirkte ziemlich weitläufig. Es würde vielleicht gar nicht notwendig sein zu lügen.
»Hier ist es ein bisschen schlammig«, meinte Jake, nachdem er geparkt hatte und auf Nels Seite herübergekommen war. »Aber etwas Besseres kann ich nicht finden. Soll ich dich über diese Matschpfütze tragen?«
»Nein! Ich verbringe den größten Teil des Tages auf Bauernhöfen. Ich bin schon mit weitaus Schlimmerem fertig geworden als Matsch!«
»Aber nicht in diesen Schuhen, möchte ich wetten.« Er fasste sie am Arm. »Allerdings dachte ich, wir wollten nicht über die Arbeit reden?«
Solange er sie am Arm festhielt, würde es Nel schwer fallen, über irgendetwas zu reden. Nur gut, dass er sie losließ, sobald sie das Restaurant betraten.
Während Jake ihr aus dem Mantel half, entdeckte Nel auch Simon. Er saß mit dem Rücken zu ihr an einem Tisch für zwei Personen. Seine Begleiterin war eine Frau, die nach Nels Schätzung ein wenig jünger sein musste als sie selbst.
»Das ist nicht der Mantel, den du neulich abends getragen hast«, bemerkte Jake. »Er wiegt weniger als die Hälfte.«
Eine Kellnerin in knappem schwarzen Top und Jeans (einer exakten Kopie derjenigen, die Fleur tagtäglich trug) und kleiner weißer Schürze wuselte um sie herum, daher konnte Nel Jake nicht dafür tadeln, dass er neulich Abend erwähnt hatte. »Der andere hat meinem verstorbenen Mann gehört«, sagte sie entschieden, um alle weiteren Nachfragen in dieser Richtung zu unterbinden. »Den hier habe ich letztes Jahr in einem Secondhandshop gekauft.«
»Der ist auch sehr hübsch«, erwiderte Jake erheitert. Er war keineswegs entsetzt, wie Nel es halb gehofft hatte.
»Möchten Sie gleich an Ihren Tisch gehen?«, fragte die junge Frau, die etwa in Fleurs Alter war. »Oder erst an die Bar?«
Jake sah Nel fragend an. Die Bar befand sich hinter Simons Tisch. Wenn sie dort hingingen, mussten sie an ihm vorbei. »Ich sollte dir wohl sagen«, bemerkte Nel, »dass Simon hier ist. Ich würde lieber gleich an den Tisch gehen.«
»In Ordnung.« Jake wirkte ausgesprochen gelassen, und als sie auf ihren Tisch zugingen, fragte er: »Hast du ihm erzählt, dass wir heute Abend ausgehen?«
»Mehr oder weniger.«
»Was soll das heißen, ›mehr oder weniger‹?«
»Du bist genauso schlimm wie Fleur! Ich habe ihm erzählt, dass wir einige Angelegenheiten das Hospiz betreffend besprechen müssten. Ich habe ihm nicht erzählt, dass wir ein Rendezvous ausgemacht hätten oder etwas in der Art.«
»Wenn er also herkommt und droht, mir eins auf die Nase zu geben, sage ich einfach, wir arbeiten.«
»Das wird er nicht tun. Er ist ein netter Mann. Er gibt niemandem was auf die Nase.«
»Ist er allein?«
»Nein. Er ist mit einer Frau zusammen.«
»Hm, soll ich zu ihm
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