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Geschichte der deutschen Sprache

Geschichte der deutschen Sprache

Titel: Geschichte der deutschen Sprache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Roelcke
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können
hat
und
betwungen
bzw.
bezwungen
nicht mehr zusammenstehen, sondern müssen getrennt werden, also etwa:
Mein Herz hat meine Sprache oft bezwungen
. Solche Verbklammern waren im Alt- und Mittelhochdeutschen bereits weit verbreitet, ihre Verbindlichkeit (Konfigurationalität) nimmt jedoch bis zur Gegenwart hin deutlich zu.
    Dies mag auch daran liegen, dass die Verbklammer im Gegensatz hierzu in Nebensätzen aufgehoben wird und somit einen wichtigen Beitrag zu deren Kennzeichnung leistet. Von dem Beispiel ausgehend könnte es dann etwa heißen:
Gregorius schreibt, dass sein Herz seine Sprache oft bezwungen habe
. Hier wird die für Nebensätze verbindliche Endstellung des (finiten)Verbs eingehalten und keine Verbklammer gebildet. Auch eine solche Letztstellung des Verbs in eingeleiteten Nebensätzen hat erst im Neuhochdeutschen ihre größte Verbindlichkeit erlangt – und in der jüngsten Zeit auch wieder etwas davon verloren. Denn bei einigen satzeinleitenden Konjunktionen beginnt sich bereits wieder eine gegenläufige Tendenz durchzusetzen, das Verb nicht an die letzte Stelle des Nebensatzes zu setzen, sondern (wie bei Hauptsätzen üblich) an die zweite. Um wieder ein entsprechendes Beispiel zu konstruieren: Der deutschen Standardsprache entsprechend heißt es etwa:
Gregorius schreibt, weil sein Herz seine Sprache oft bezwungen hat
; umgangssprachlich ist dagegen bereits schon die folgende Konstruktion möglich:
Gregorius schreibt, weil sein Herz hat seine Sprache oft bezwungen
. Hier zeigt sich wieder einmal, dass nicht alle Entwicklungen der deutschen Sprachgeschichte in genau eine Richtung verlaufen. Selbst der Anstieg an Konfigurationalität, den man im Rahmen der Syntaxgeschichte wiederholt beobachten kann, erfährt hier eine gewisse Einschränkung.
    Fazit
Grammatik – richtungsweisend?
– Die Grammatik des Deutschen ist seit Beginn erheblichen Veränderungen unterworfen. Hierzu zählt im Wesentlichen ein Abbau der (synthetischen) Formbildung bei Verben und Nomen, der durch einen Ausbau der (synthetischen) Wortbildung und durch einen Ausbau von (analytischen) Umschreibungen ausgeglichen bzw. ergänzt wird. Hinzu kommt hier eine zunehmende Verbindlichkeit in der Wort- und Satzgliedstellung, die sich jedoch nicht auf einen (emissiven oder rezeptiven) Stellungstyp festlegen lässt. Unter dem Strich ist also im Rahmen der deutschen Grammatikgeschichte weder von einer Tendenz zu analytischer oder synthetischer Bauweise noch von einer solchen zu emissiver oder rezeptiver Stellung zu sprechen. Hauptcharakteristikum ist hier vielmehr die zunehmende Verbindlichkeit grammatischer Kennzeichnungen und syntaktischer Stellungen. Im Zuge ihrer Beschreibung erlangen Darstellungen zur deutschen Grammatik zunehmend auch den Charakter von Vorschriften und tragen somit letztlich zur Entwicklung der deutschen Standardsprache bei.

4. Wird der Wortschatz immer reicher?
4.1 Zunahme an Wörtern und Begriffen
    Die Menschheit gewinnt seit Jahrhunderten und Jahrtausenden neue Erfahrungen und Erkenntnisse, die mit einzelnen Wörtern zum Ausdruck gebracht werden. Und so liegt zunächst einmal die Vermutung nahe, dass der Wortschatz einzelner Sprachen im Laufe der Zeit immer mehr an Umfang zunimmt. Ein kurzer Blick auf das Deutsche mag dies bestätigen: Der althochdeutsche Wortschatz im 9. Jahrhundert wird auf etwa 20.000 bis 30.000 Wörter geschätzt (wobei solche Schätzungen äußerst vorsichtig erfolgen müssen, da es aus dieser Zeit nur vergleichsweise wenig schriftliche Quellen gibt). Schlägt man die großen Wörterbücher der deutschen Gegenwartssprache auf, kommt man dagegen auf einen Wert von bis zu 300.000 Einträgen bzw. Wörtern mit etwa 500.000 Einzelbedeutungen. Doch auch bei diesen Zahlen ist höchste Vorsicht geboten – ist doch die Textgrundlage solcher Nachschlagewerke angesichts einer Überfülle an Quellen oft nicht hinreichend klar. Dennoch: Angesichts dieser und ähnlicher Befunde hätte sich der deutsche Wortschatz also in den vergangenen zwölf Jahrhunderten nahezu verzehnfacht! Ein solcher Ausbau des Wortschatzes stellt eine kaum vorstellbare und überdies wohl auch kaum den Tatsachen entsprechende Entwicklung dar, die hier insbesondere auch angesichts der engen Verbindung zwischen Wortschatzentwicklung sowie Kultur- und Gesellschaftsgeschichte nicht einmal in groben Zügen nachgezeichnet werden kann (eine umfassende Darstellung der deutschen Wortschatzgeschichte wurde bezeichnenderweise bis heute

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