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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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innerparteilichen Kampfes, erwähnte Lenin während einer Debatte im Petrograder Komitee, wie er vor der Sitzung des Zentralkomitees "Opportunismus seitens der auf dem Boden der Vereinigung stehenden Internationalisten befürchtete, doch die Befürchtungen zerstreuten sich; in unserer Partei waren etliche Mitglieder [des Zentralkomitees] nicht einverstanden. Das hat mich aufs äußerste betrübt". Von den "Internationalisten" gehörten außer Trotzki, den Lenin wohl kaum meinen konnte, dem Zentralkomitee an: Joffe, späterer Gesandter in Berlin, Uritzki, späterer Leiter der Tscheka in Petrograd, und Sokolnikow, der spätere Schöpfer des Tscherwonez: alle drei waren auf Lenins Seite. Als Gegner traten zwei durch ihre frühere Arbeit Lenin nächststehende alte Bolschewiki auf: Sinowjew und Kamenjew. Auf sie beziehen sich auch seine Worte: "Das hat mich aufs äußerste betrübt." Die Sitzung vom 10. lief fast völlig auf eine leidenschaftliche Polemik mit Sinowjew und Kamenjew hinaus: den Angriff führte Lenin, die übrigen Teilnehmer wurden einer nach dem anderen hineingezogen.
    Die von Lenin mit Bleistiftstummel auf einer karierten Kinderheftseite hastig niedergeschriebene Resolution war architektonisch nicht sehr vollendet, bot aber dafür eine feste Stütze für den Kurs auf den Aufstand. "Das Zentralkomitee stellt fest, daß sowohl die internationale Lage der russischen Revolution (Aufstand in der deutschen Flotte als höchster Ausdruck der in ganz Europa heranreifenden sozialistischen Weltrevolution, ferner die Drohung der imperialistischen Welt mit dem Ziele der Erdrosselung der Revolution in Rußland) als auch die militärische Lage (der unzweifelhafte Entschluß der russischen Bourgeoisie und der Kerenski und Konsorten, Petrograd den Deutschen zu übergeben) - all das in Verbindung mit dem Bauernaufstand und dem sich unserer Partei zuwendenden Vertrauen des Volkes (Wahlen in Moskau) und endlich die offenkundige Vorbereitung einer zweiten Kornilowiade (Abtransport von Truppen aus Petrograd, Zusammenziehung von Kosaken vor Petrograd, Umzingelung von Minsk durch Kosaken und so weiter) - all das stellt auf die Tagesordnung den bewaffneten Aufstand. Indem es somit feststellt, daß der bewaffnete Aufstand unvermeidlich und völlig reif ist, fordert das Zentralkomitee alle Parteiorganisationen auf, sich danach zu richten und alle praktischen Fragen von diesem Gesichtspunkte aus zu erörtern und zu entscheiden (Sowjetkongreß des Norddistrikts, Abtransport von Truppen aus Petrograd, Auftreten der Moskauer und Minsker und so weiter)."
    Bemerkenswert sowohl für die Einschätzung des Augenblicks wie für die Charakteristik des Autors ist allein schon die Anordnung der Reihenfolge der Bedingungen für den Aufstand: an erster Stelle das Heranreifen der Weltrevolution; der Aufstand in Rußland wird bloß als ein Glied einer Gesamtkette betrachtet. Das ist Lenins ständige Ausgangsposition, seine große Voraussetzung: anders konnte er nicht. Der Kurs auf den Aufstand wird unmittelbar, als Parteiaufgabe, gestellt: das schwierige Problem, die Vorbereitung der Umwälzung mit den Sowjets in Einklang zu bringen ist vorläufig gar nicht berührt. Der Allrussische Sowjetkongreß ist mit keinem Worte erwähnt. Zu den Stützpunkten des Aufstandes wird neben dem Kongreß des Norddistrikts und dem "Auftreten der Moskauer und Minsker" auf Trotzkis Drängen hinzugefügt "der Abtransport von Truppen aus Petrograd". Das war die einzige Anspielung auf jenen Aufstandsplan, der sich in der Hauptstadt durch den Gang der Ereignisse von selbst aufdrängte. Taktische Korrekturen an der Resolution, die die strategische Ausgangsposition der Umwälzung bestimmte, schlug niemand vor, ausgenommen Sinowjew und Kamenjew, die die Notwendigkeit des Aufstandes überhaupt verneinten.
    Die späteren Versuche der offiziösen Historiographie, die Sache. so darzustellen, als wäre die gesamte führende Parteischicht, außer Sinowjew und Kamenjew, für den Aufstand gewesen, zerschellen an den Tatsachen und Dokumenten. Davon abgesehen, daß auch die für den Aufstand Stimmenden nicht selten dazu neigten, ihn in eine unbestimmte Zukunft zu verlegen, waren die offenen Gegner der Umwälzung, Sinowjew und Kamenjew, sogar im Zentralkomitee nicht isoliert: ihren Standpunkt teilten restlos Rykow und Nogin, die in der Sitzung vom 10. fehlten, ihnen nahe stand auch Miljutin. "In den Parteispitzen sind Schwankungen bemerkbar, gleichsam Angst vor dem Kampf um die Macht",

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