Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
-Geschoß aufdrängten, übersiedelten die Minister in einen der zahllosen Räume des Palais mit den Fenstern zum Hof. Die Lichter wurden gelöscht. Nur auf dem Tisch brannte eine einsame Lampe, gegen die Fenster mit einem Zeitungsblatt abgedeckt.
"Was droht dem Palais, wenn die Aurora das Feuer eröffnen wird?" fragten die Minister ihren Marinekollegen. "Es wird in einen Trümmerhaufen verwandelt werden", erklärte bereitwilligst der Admiral, nicht ohne Gefühl des Stolzes auf die Marineartillerie. Werderewski zog die Übergabe vor und wollte gerne die Zivilisten, die am falschen Orte die Tapferen spielten, ein wenig schrecken. Aber die Aurora schoß nicht. Es schwieg auch die Festung. Vielleicht werden die Bol-schewiki überhaupt nicht wagen, ihre Drohung auszuführen?
General Bagratuni, den man an die Stelle des nicht genügend standhaften Polkownikow gesetzt hatte, hielt es gerade an der Zeit, zu erklären, er verzichte, die Pflichten des Bezirkskommandierenden weiter zu erfüllen. Auf Kischkins Befehl wurde der General "als unwürdige abgesetzt und aufgefordert, das Palais unverzüglich zu verlassen. Als er aus dem Tor hinaustrat, geriet der ehemalige Kommandierende in die Arme von Matrosen, die ihn in die Kaserne der Baltischen Equipage brachten. Dem General hätte es schlimm ergehen können, hätte nicht Podwojski, der die Frontabschnitte vor dem letzten Angriff inspizierte, den unglückseligen Heerführer unter seinen Schutz genommen.
Von den anliegenden Straßen und Kais aus beobachteten viele, wie das Palais, das soeben in Hunderten elektrischer Lampen gespielt hatte, plötzlich in Dunkelheit tauchte. Unter den Beobachtern waren auch Freunde der Regierung. Ein Kampfgefährte Kerenskis, Redemeister, schrieb nieder: "Die Finsternis, in die das Winterpalais versank, drohte wie irgendein Geheimnis." Anstalten, es zu enträtseln, unternahmen die Freunde nicht. Man muß auch gestehen, daß ihre Möglichkeiten gering waren.
Versteckt hinter den Holzstapeln verfolgten die Junker gespannt die Ketten auf dem Schloßplatze und reagierten auf jede Bewegung des Feindes mit Gewehr- und Maschinengewehrfeuer. Man antwortete ihnen mit gleichem. Die Schießerei wurde um die Nachtstunden immer heftiger. Es gab die ersten Toten und Verwundeten. Doch waren die Opfer vereinzelt. Auf dem Platz, am Kai, auf der Milljonaja-Straße paßten sich die Belagerer dem Gelände an, verbargen sich hinter Vorsprüngen, versteckten sich in Vertiefungen, drückten sich an die Mauern. Bei der Reserve wärmten sich Soldaten und Rotgardisten an Scheiterhaufen, die mit Einbruch der Dunkelheit zu rauchen begannen, und schimpften ein wenig auf die Saumseligkeit der Führer.
Im Winterpalais hatten die Junker in Korridoren, auf Treppen, bei den Einfahrten, im Hofe Stellung bezogen; die Außenposten klebten an Geländern und Mauern. Das Gebäude, das Tausende aufnehmen konnte, barg nur Hunderte. Die ungeheuren Räumlichkeiten hinter der Kette der Verteidiger schienen ausgestorben. Die Mehrzahl der Dienerschaft hielt sich versteckt oder war auseinandergelaufen. Viele Offiziere hatten sich im Büfettraum verborgen, wo sie die Diener, die noch keine Zeit gehabt hatten, sich zu verkriechen, zwangen, immer neue Batterien von Weinflaschen aufzutragen. Das Trinkgelage der Offiziere im agonisierenden Palais konnte für Junker, Kosaken, Invaliden, Stoßbrigadlerin-nen kein Geheimnis bleiben. Die Entscheidung bereitete sich nicht nur außen, sondern auch innen vor.
Der Offizier eines Artilleriezuges meldete plötzlich dem Kommandanten der Verteidigung: die Geschütze seien auf die Protzwagen gestellt, und die Junker gingen heim, entsprechend dem des Vorstehers der Konstantinowski-Schule. Das war ein treubrüchiger Schlag! Der Kommandant versuchte, Einspruch zu erheben: außer ihm habe hier niemand Befehle zu erteilen. Die Junker wußten das wohl, zogen jedoch vor, dem Schulvorsteher zu gehorchen, der seinerseits unter dem Druck des Kommissars vom Militärischen Revolutionskomitee handelte. Die Mehrzahl der Artilleristen verließ mit vier von sechs Geschützen das Palais. Am Newski durch eine Soldatenpatrouille aufgehalten, versuchten sie Widerstand zu leisten, wurden aber von Sperrtruppen des Pawlowsker Regiments, die mit einem Panzerwagen herbeieilten, entwaffnet und mit zwei Geschützen in die Regimentskaserne geschickt; die zwei übrigen Geschütze wurden auf dem Newski und an der Mojka-Brücke mit der Mündung gegen das Winterpalais aufgestellt.
Die
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