Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
Vom Netzwerk:
in den ehemaligen Zarenlakaien sieht er Agenten der Revolution. Noch weniger vertraut er dem Monteur des Schlosses. "Ich hätte dich längst ins Jenseits befördert, wenn wir dich nicht brauchen würden." Trotz Bedrohungen mit dem Revolver kann der Monteur nicht helfen, sein Schaltbrett ist stromlos, die Elektrizitätszentrale von Matrosen besetzt, sie walten über das Licht. Die Stoßbrigadlerinnen halten das Feuer nicht aus und ergeben sich zum größten Teil. Der Kommandant der Verteidigung schickt einen Leutnant der Meldung an die Regierung, der Ausfall der Stoßbrigadlerinnen "führte zu ihrem Untergang", und das Palais wimmele von Agitatoren, Der Mißerfolg des Ausfalls schafft eine Atempause, etwa von 10 bis 11 Uhr: die Belagerer sind wohl mit der Vorbereitung der Artilleriebeschießung beschäftigt.
    Die unerwartete Pause erweckt irgendwelche Hoffnungen bei den Belagerten. Die Minister versuchen wieder, ihre Anhänger in der Stadt und im Lande zu ermuntern: "Die Regierung ist mit Ausnahme Prokopowitschs vollzählig auf ihrem Posten. Die Lage ist als günstig anzusehen ... Das Palais wird beschossen, aber nur mit Gewehrfeuer und vollkommen ergebnislos. Es ist festgestellt worden, daß der Gegner schwach ist." In Wirklichkeit ist der Gegner allmächtig, entschließt sich aber nicht, von seiner Stärke den nötigen Gebrauch zu machen. Die Regierung schickt ins Land einen Bericht über das Ultimatum, über die Aurora , darüber, daß sie, die Regierung, die Macht nur an die Konstituierende Versammlung abgeben könne, wie auch darüber, daß der erste Überfall auf das Winterpalais abgeschlagen sei. "Armee und Volk mögen Antwort geben!" Auf welche Weise die Antwort erfolgen sollte, verrieten die Minister nicht. Laschewitsch schickte unterdessen in die Festung zwei Marineartilleristen. Zwar sind sie nicht übermäßig erfahren, dafür aber sind es Bolschewiki, bereit, auch aus verrosteten Geschützen, ohne Öl in den Kompressoren, zu schießen. Nur das wird von ihnen verlangt: der Laut der Artillerie ist im Augenblick wichtiger als Zielsicherheit. Antonow befiehlt, zu beginnen. Die im voraus festgelegte Gradation wird restlos gewahrt. "Nach dem Signalschuß der Festung", erzählt Flerowski, "krachte die Aurora. Das Krachen und die Feuergarbe sind beim Blindschuß viel stärker als beim Scharfschuß. Die Neugierigen stürzten von der Granitbrüstung des Kais hinweg, warfen sich nieder, krochen davon ..." Tschudnowski beeilt sich, die Frage zu stellen: soll man den Belagerten nicht vorschlagen, sich zu ergeben? Antonow ist sofort mit ihm einverstanden. Wieder eine Pause. Es ergibt sich eine Gruppe von Stoßbrigadlerinnen und Junkern. Tschudnowski will ihnen die Waffen belassen, doch Antonow protestiert rechtzeitig gegen diesen Überedelmut. Nachdem sie die Gewehre vor dem Tor zusammengelegt hatten, entfernten sich die Kapitulanten unter Eskorte durch die Milljonaja-Straße.
    Das Winterpalais hält sich noch immer. Es muß ein Ende gemacht werden! Der Befehl ist erteilt. Das Feuer, kein heftiges und noch weniger ein wirksames, ist eröffnet. Von den während der anderthalb bis zwei Stunden abgegebenen fünfunddreißig Schüssen waren nur zwei Treffer, und auch diese verletzten nur den Stuck; die übrigen Geschosse gingen über das Palais hinweg, glücklicherweise ohne Schaden in der Stadt anzurichten. War wirklich Unfähigkeit der Grund? Man feuerte doch über die Newa hinweg in direkter Linie auf ein so breites Ziel wie das Palais: dazu bedarf es keiner großen Kunst: Muß man nicht eher annehmen, daß sogar Laschewitschs Artilleristen absichtlich über das Ziel hinwegschossen in der Hoffnung auf einen Ausgang ohne Zerstörung und Todesopfer? Es ist sehr schwierig, jenen Motiven nachzuspüren, die die beiden namenlosen Matrosen leiteten. Sie selbst haben von sich nichts hören lassen:
    Sind sie im uferlosen russischen Dorf aufgegangen, oder haben sie gleich vielen der Oktoberkämpfer ihr Leben gelassen im Bürgerkrieg der nächsten Monate und Jahre?
    Bald nach den ersten Schüssen brachte Paltschinski den Ministern einen Granatsplitter. Admiral Werderewski erkannte den Splitter als den seinen, der Marine: von der Aurora. Jedoch vom Kreuzer hatte man nur blind geschossen. So war es verabredet, so bezeugt es Flerowski, so berichtete später ein Matrose dem Sowjetkongreß. Irrte sich der Admiral? Irrte der Matrose? Wer kann einen Kanonenschuß kontrollieren, abgegeben in tiefer Nacht von einem aufständischen Schiff

Weitere Kostenlose Bücher