Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Schonung des Lebens der Junker ausbedungen, auf das ohnehin niemand ein Attentat plante. Bezüglich des Schicksals der Regierung weigerte sich Antonow, in irgendwelche Verhandlungen einzutreten.
Die Junker vor der letzten bewachten Türe werden entwaffnet. Die Sieger stürmen in das Ministerzimmer hinein. "Der Menge voran schritt, bestrebt, die nachdrängenden Reihen zurückzuhalten, ein kleiner, unansehnlicher Mann; seine Kleidung war in Unordnung; der breitkrempige Hut auf eine Seite geschoben. Auf der Nase hielt sich mit Mühe ein Zwicker. Aber die kleinen Augen glänzten vor Siegestriumph und Wut gegen die Besiegten." Mit diesen herabwürdigenden Strichen ist Antonow geschildert. Unschwer, zu glauben, daß seine Kleidung und sein Hut in Unordnung geraten waren: es genügt, sich der nächtlichen Reise durch die Pfützen der - Peter-Paul-Festung zu erinnern. Siegestriumph konnte man zweifellos in seinen Augen lesen; aber wohl kaum Wut gegen die Besiegten. "Ich erkläre Sie, die Mitglieder der Provisorischen Regierung, für verhaftet", verkündet Antonow im Namen des Militärischen Revolutionskomitees. Die Uhr zeigt 2 Uhr 10 Minuten der Nacht auf den 26. Oktober. "Die Mitglieder der Provisorischen Regierung beugen sich der Gewalt und ergeben sich, um Blutvergießen zu vermeiden", antwortete Konowalow. Der unvermeidliche Teil des Rituals ist gewahrt.
Antonow forderte fünfundzwanzig Bewaffnete an, die die ersten in das Palais eingedrungenen Abteilungen aus ihrer Mitte stellten, und beauftragte sie mit der Bewachung der Minister. Die Verhafteten wurden, nach Aufnahme eines Protokolls, auf den Platz hinausgeführt. In der Menge, die Opfer an Getöteten und Verwundeten erlitten hatte, entbrennt in der Tat Wut gegen die Besiegten. "Erschießen! Tod!" Einzelne Soldaten versuchen gegen die Minister handgreiflich zu werden. Rotgardisten beruhigen die Ungezügelten: verdunkelt den proletarischen Sieg nicht! Bewaffnete Arbeiter umgeben Gefangene und Eskorte mit dichtem Ring. "Vorwärts!" Es ist nicht weit zu gehen: durch die Milljo-naja-Straße und über die Troizki-Brücke. Doch die Erregung der Menge gestaltet den kurzen Weg lang und an Gefahren reich. Minister Nikitin schrieb später nicht mit Unrecht, ohne Antonows energisches Eintreten hätten die Folgen "sehr schwer" sein können. Zum Überfluß wird die Prozession auf der Brücke einer zufälligen Beschießung ausgesetzt: Verhaftete und Eskorte müssen sich aufs Pflaster werfen. Aber auch hier erlitt niemand Schaden: man schoß offenbar drüber weg, zur Abschreckung.
Den engen Klubraum der Festungsgarnison, beleuchtet von einer blakenden Petroleumlampe - das elektrische Licht verweigerte heute den Dienst - füllen einige Dutzend Menschen. Antonow ruft in Anwesenheit des Festungskommissars die Minister namentlich auf. Es sind ihrer achtzehn Mann, einschließlich der nächsten Gehilfen. Die letzten Formalitäten sind beendet, die Gefangenen in die Zellen der historischen Trubetzkoi-Bastion abgeführt. Von den Verteidigern ist niemand verhaftet: Offiziere und Junker unter Ehrenwort, nichts gegen die Sowjetmacht zu unternehmen, entlassen. Nur wenige von ihnen haben ihr Wort gehalten.
Gleich nach Einnahme des Winterpalais verbreiteten sich in bürgerlichen Kreisen Gerüchte über Erschießungen von Junkern, Vergewaltigungen von Stoßbrigadlerinnen, Plünderungen der Schätze des Palais. Alle diese Märchen waren bereits längst widerlegt, als Miljukow in seiner Geschichte schrieb: "Jene der Stoßbrigadlerinnen, die nicht durch Kugeln umgekommen oder von den Bolschewiki festgenommen waren, mußten an diesem Abend und in der Nacht Schreckliches seitens der Soldaten erdulden, Mißhandlungen und Erschießungen." In Wirklichkeit haben keinerlei Erschießungen stattgefunden und können nach der Stimmung beider Parteien in jeder Periode nicht stattgefunden haben. Noch undenkbarer waren Gewaltakte, besonders im Palais, das, neben einzelnen zufälligen Elementen der Straße, Hunderte revolutionärer Arbeiter mit Gewehren in den Händen betraten.
Plünderungsversuche fanden tatsächlich statt, aber gerade sie bewiesen die Disziplin der Sieger. John Reed, der keine dramatische Revolutionsepisode versäumte und das Winterpalais, der heißen Spur der ersten Ketten folgend, betrat, erzählt, wie im Kellergewölbe eine Gruppe Soldaten mit Kolben Deckel von Kisten aufbrach und von dort Teppiche, Wäsche, Porzellan, Glas herauszerrte. Es ist nicht ausgeschlossen, daß unter dem Schein
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