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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Kavalleriekorps, das zwei Monate zuvor von Kornilow zum Sturze Kerenskis ausersehen worden war. An der Spitze des Korps stand noch immer der Kosakengeneral Krassnow, kämpferischer Monarchist, auf seinen Posten von Kornilow gestellt: ein passenderer Heerführer konnte zur Verteidigung der Demokratie eben nicht gefunden werden.
    Vom Korps war allerdings nur noch der Name übriggeblieben: es bestand aus einigen Kosakenhundertschaften, die nach dem mißlungenen Versuch der Offensive gegen die Roten sich bei Petrograd mit den revolutionären Matrosen verbrüderten. und Krassnow den Bolschewiki auslieferten. Kerenski war gezwungen zu flüchten - sowohl vor den Kosaken wie vor den Matrosen. So stellten sich acht Monate nach dem Sturze der Monarchie an die Spitze des Landes die Arbeiter. Und stellten sich fest und sicher hin.
    "Wer vermag es zu glauben", schrieb aus diesem Anlaß mit Entrüstung einer der russischen Generale, Salesski, "daß der Portier oder der Wächter eines Gerichtsgebäudes plötzlich zum Vorsitzenden eines Friedensrichterkollegiums wird? Oder der Krankenhauswärter zum Lazarettleiter; der Barbier zum hohen Beamten; der gestrige Fähnrich zum Höchstkommandierenden; der gestrige Lakai oder ungelernte Arbeiter zum Stadthauptmann; der gestrige Wagenschmierer - zum Revier- oder Bahnhofsvorsteher; der gestrige Schlosser - zum Werkstattdirektor?"
    "Wer vermag es zu glauben?" Man mußte es schon glauben. Wie nicht glauben, nachdem die Fähnriche Generale g3-schlagen; ein Stadthauptmann, ungelernter Arbeiter, den Widerstand der gestrigen Herren niederrang, Wagenschmierer den Transport ordneten; Schlosser als Direktoren die Industrie in Gang brachten.
    Die wichtigste Aufgabe eines politischen Regimes besteht nach einem bekannten englischen Aphorismus darin, richtige Männer auf den richtigen Platz zu stellen. Wie sieht unter diesem Gesichtswinkel die Erfahrung von 1917 aus? In den ersten zwei Monaten befehligte Rußland noch, nach dem Recht der Erbmonarchie, ein von der Natur benachteiligter Mann, der an Reliquien glaubte und Rasputin gehorchte. Während der weiteren acht Monate versuchten Liberale und Demokraten von ihren Regierungshöhen herab dem Volke nachzuweisen, Revolutionen würden dazu gemacht, daß alles beim alten bleibe. Es ist nicht verwunderlich, wenn diese Menschen über das Land hinweggingen wie schwankende Schatten, ohne eine Spur zu hinterlassen. Vom 25. Oktober ab trat an Rußlands Spitze Lenin, die größte Figur der russischen politischen Geschichte. Es umgab ihn ein Stab von Mitarbeitern, die; nach dem Geständnis der grimmigsten Feinde, wußten, was sie wollten, und die für ihre Ziele zu kämpfen verstanden. Welches nun von diesen drei Systemen hatte sich unter den konkreten Bedingungen fähig gezeigt, richtige Männer auf den richtigen Platz zu stellen?
    Den historischen Aufstieg der Menschheit kann man, im ganzen genommen, resümieren als eine Kette von Siegen des Bewußtseins über die blinden Kräfte - in Natur, Gesellschaft und im Menschen selbst. Der kritische und schöpferische Gedanke konnte sich bis auf den heutigen Tag der größten Erfolge rühmen im Kampfe mit der Natur. Die physikalisch-chemischen Wissenschaften sind bereits an dem Punkt angelangt, wo der Mensch sich offensichtlich anschickt, Herr der Materie zu werden. Die gesellschaftlichen Beziehungen jedoch gestalten sich noch immer in der Art von Koralleninseln. Der Parlamentarismus hat ein Licht nur auf die Oberfläche der Gesellschaft geworfen, und auch da nur ein recht künstliches Licht. Im Vergleich zur Monarchie und anderen Erbschaften von Menschenfresserei und wildem Höhlenzustand stellt die Demokratie gewiß eine große Errungenschaft dar. Doch läßt sie das blinde Spiel der Kräfte in den sozialen Wechselbeziehungen der Menschen unberührt. Gerade gegen dieses tiefste Gebiet des Unbewußten erhob zum erstenmal die Hand die Oktoberumwälzung. Das Sowjetsystem will Ziel und Plan hineintragen in das Fundament der Gesellschaft, wo bis jetzt nur angehäufte Folgen herrschten.
    Die Gegner triumphieren schadenfroh darüber, daß das Land der Sowjets anderthalb Jahrzehnte nach der Umwälzung einem Reiche des allgemeinen Wohlstandes noch sehr wenig ähnlich sieht. Ein solches Argument könnte diktiert sein von einer übermäßigen Anbetung der magischen Kraft sozialistischer Methoden, wäre es in Wirklichkeit nicht mit der Verblendung der Feindseligkeit zu erklären. Der Kapitalismus hat Jahrhunderte gebraucht, um

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