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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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identisch, nicht gleichartig, in gewissem Sinne sogar antagonistisch. Die Tatsache, daß das russische Proletariat als erstes zur Macht gelangt ist, bedeutet noch keinesfalls, daß es als erstes zum Sozialismus kommen wird. Die widerspruchsvolle Ungleichmäßigkeit der Entwicklung, die zur Oktoberumwälzung führte, ist mit deren Abschluß nicht verschwunden: es erwies sich, daß sie im Fundament des ersten Arbeiterstaates enthalten ist.
    "Je rückständiger ein Land ist, das kraft des Zickzacks der Geschichte gezwungen war, seine sozialistische Revolution zu beginnen". sagte Lenin im März 1918, "um so schwieriger wird ihm der Übergang von den alten kapitalistischen Beziehungen zu sozialistischen." Dieser Gedanke geht durch Lenins Reden und Artikel jahraus, jahrein. "Für uns ist es leicht, die Revolution zu beginnen, und schwieriger, sie fortzusetzen", sagt er im Mai des gleichen Jahres, "im Westen ist es schwieriger, die Revolution zu beginnen, aber dort wird es leichter sein, sie fortzusetzen." Im Dezember entwik-kelt Lenin den gleichen Gedanken vor einem Bauernauditorium, dem es am allerschwierigsten fällt, sich über nationale Grenzen hinwegzuversetzen: "Dort (im Westen) wird der Übergang zur sozialistischen Wirtschaft sich schneller und leichter vollziehen als bei uns ... Im Bunde mit dem sozialistischen Proletariat der ganzen Welt wird die russische werktätige Bauernschaft alle Unbilden überwinden ..." - "Im Vergleich mit den fortgeschrittenen Ländern", wiederholt er
    1919, "war es den Russen leichter, die große proletarische Revolution zu beginnen, aber es wird ihnen schwieriger sein, sie fortzusetzen und zum endgültigen Siege zu führen, im Sinne der völligen Organisierung der sozialistischen Gesellschaft." "Rußland", beharrt Lenin am 27. April 1920, "war es leicht, die sozialistische Revolution zu beginnen. aber sie fortzusetzen und zu Ende zu führen, wird Rußland schwerer fallen als den europäischen Ländern. Ich hatte bereits Anfang 1918 Gelegenheit, auf diese Tatsache hinzuweisen, und die zweijährige Erfahrung hat danach die Richtigkeit dieser Erwägung vollauf bestätigt ... "
    Die Jahrhunderte der Geschichte leben in Form von verschiedenen Kulturniveaus. Zur Überwindung der Vergangenheit ist Zeit nötig, nicht neue Jahrhunderte, aber Jahrzehnte. "Es ist fraglich, ob die nächste Generation, eine entwik-keltere, den völligen Übergang zum Sozialismus vollziehen wird", sagte Lenin in der Sitzung des ZentralExekutivkomitees am 29. April 1918. Fast zwei Jahre später, auf dem Kongreß der landwirtschaftlichen Kommunen, nennt er noch fernerliegende Fristen: "Sofort die sozialistische Ordnung einführen - können wir nicht, gebe Gott, daß sie unter unseren Kindern oder vielleicht Enkelkindern bei uns errichtet wird." Die russischen Arbeiter hätten früher als die anderen den Weg betreten, würden aber später als die anderen ans Ziel kommen. Das ist nicht Pessimismus, sondern historischer Realismus.
    "... Wir, das Proletariat Rußlands, sind fortgeschrittener als ein England oder ein Deutschland unserem politischen Regime nach ...", schrieb Lenin im Mai 1918, "und gleichzeitig hinter dem rückständigsten der westeuropäischen Staaten ... nach dem Grade der Vorbereitung für die materiell-industrielle Einführung des Sozialismus ..." Dem gleichen Gedanken verleiht er bei einer Gegenüberstellung zweier Staaten Ausdruck: "Deutschland und Rußland verkörperten im Jahre
    1918 am anschaulichsten die materielle Verwirklichung einerseits der ökonomischen, industriellen, gesellschaftswirtschaftlichen, andererseits der politischen Bedingungen des Sozialismus." Die Elemente der zukünftigen Gesellschaft seien gleichsam zersplittert zwischen verschiedenen Ländern. "Sie zu sammeln und zueinander in ein richtiges Verhältnis zu bringen, ist Aufgabe einer Reihe von nationalen Umwälzungen, die sich summieren zur Weltrevolution."
    Den Gedanken an einen selbstgenügsamen Charakter der Sowjetwirtschaft hat Lenin im voraus verspottet! "Solange unser Sowjetrußland eine vereinzelte Grenzmark der gesamten kapitalistischen Welt bleibt", sagte er im Dezember 1920 auf dem VIII. Sowjetkongreß, "wäre der Gedanke an unsere völlige ökonomische Unabhängigkeit ... eine ganz lächerliche Phantasterei und Utopie." Am 27. März 1922 warnte Lenin auf dem XI. Parteitag: uns steht bevor "ein Examen, das uns durch den russischen und den internationalen Markt auferlegt wird, von dem wir abhängen, mit dem wir

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