Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Stalin, "wenn es der internationalen Revolution beschieden ist, mit Verspätung einzutreffen? Gibt es irgendeinen Ausblick für unsere Revolution? Trotzki läßt keinen Ausblick." Die Epigonen fordern für das russische Proletariat historische Privilegien: es muß fertige Geleise haben, um sich ununterbrochen zum Sozialismus zu bewegen, unabhängig davon, was mit der übrigen Menschheit geschieht. Leider hat die Geschichte solche Geleise nicht vorbereitet. "Im welthistorischen Maßstabe gesehen", sagte Lenin auf dem VII. Parteitag, "unterliegt es keinem Zweifel, daß der Endsieg unserer Revolution, bliebe sie vereinsamt ... hoffnungslos wäre."
Aber auch in diesem Fall wäre sie nicht unfruchtbar gewesen. "Sogar wenn die bolschewistische Macht morgen von den Imperialisten gestürzt werden sollte", sagte Lenin im Mai 1919 auf dem Pädagogenkongreß, "wir würden nicht eine Sekunde bereuen, sie ergriffen zu haben. Und nicht ein einziger fortgeschrittener Arbeiter ... wird es bereuen, wird daran zweifeln, daß unsere Revolution nichtsdestoweniger gesiegt hat." Denn Lenin sieht den Sieg nur in der internationalen Kontinuität der Entwicklung und des Kampfes. "Die neue Gesellschaft ... ist eine Abstraktion, die nicht anders Leben erhalten kann als durch eine Reihe mannigfaltiger, unvollkommener, konkreter Versuche, den einen oder den anderen sozialistischen Staat zu schaffen." Die deutliche Scheidung und im gewissen Sinne Gegenüberstellung von "sozialistischem Staat" und "neuer Gesellschaft" gibt den Schlüssel zu zahlreichen Mißbräuchen, die die Epigonenliteratur mit den Leninschen Texten treibt.
Mit äußerster Einfachheit setzte Lenin am Schluß des fünften Jahres der Machteroberung den Sinn der bolschewistischen Strategie auseinander. "Als wir seinerzeit die internationale Revolution begannen, taten wir das nicht aus der Überzeugung heraus, daß wir ihrer Entwicklung zuvorkommen könnten, sondern weil eine ganze Reihe von Umständen uns bewog, diese Revolution zu beginnen. Wir dachten: entweder wird uns die internationale Revolution zu Hilfe kommen, dann sind unsere Siege vollauf gesichert, oder aber wir werden unsere bescheidene revolutionäre Arbeit weiter tun im Bewußtsein, daß wir, im Falle einer Niederlage, trotzdem der Sache der Revolution dienen und daß unsere Erfahrung den anderen Revolutionen nützlich sein wird. Es war uns klar, ohne Unterstützung seitens der internationalen, der Weltrevolution, ist ein Sieg der proletarischen Revolution unmöglich. Schon vor der Revolution und auch später haben wir gedacht: gleich oder doch wenigstens sehr bald wird die Revolution in den übrigen kapitalistisch entwik-kelteren Ländern beginnen, andernfalls sind wir verloren. Trotz dieser Einsicht taten wir alles, um unter allen Umständen und um jeden Preis das Sowjetsystem zu halten, da wir wußten, daß wir nicht nur für uns allein arbeiten, sondern auch für die internationale Revolution. Wir wußten das, wir haben diese Überzeugung wiederholt ausgesprochen, vor der Oktoberrevolution wie auch unmittelbar nach ihr, wie auch in der Zeit des Brest-Litowsker Friedensabschlusses, Und das war, allgemein gesprochen, richtig." Die Fristen hatten sieh verschoben, die Konturen der Ereignisse sich in vielem ungeahnt gestaltet, doch die Grundorientierung war unverändert geblieben.
Was läßt sich diesen Worten hinzufügen? "Wir begannen ... die internationale Revolution." Tritt die Umwälzung im Westen nicht "gleich oder wenigstens sehr bald ein", dachten die Bolschewiki, "sind wir verloren". Aber auch in diesem Falle wird die Machteroberung gerechtfertigt sein: aus der Erfahrung der Zugrundegegangenen werden andere lernen. "Wir arbeiten nicht nur für uns, sondern auch für die internationale Revolution." Diese vom Internationalismus völlig durchdrungenen Ideen setzte Lenin auf einem Kongreß der Kommunistischen Internationale auseinander. Widersprach ihm jemand? Erwähnte jemand die Möglichkeit einer nationalen sozialistischen Gesellschaft? Keiner und nicht mit einem Wort!
Fünf Jahre später, im VII. Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, entwickelte Stalin Betrachtungen gerade entgegengesetzten Charakters. Sie sind uns bereits bekannt: bestehe keine "Überzeugung von der Möglichkeit des Aufbaus des Sozialismus in einem Lande", dann müsse die Partei übergehen "von der Lage einer Regierungs- in die Lage einer Oppositionspartei ... " Man müsse sich vorerst des Erfolges versichern,
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