Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
verschiedenen Teile der Kultur in den einzelnen Ländern, aus der Dynamik der modernen Produktivkräfte ergibt sich, daß die Errichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung nur möglich ist nach einem System der ökonomischen Spirale durch Verteilung innerer Mißverhältnisse eines einzelnen Landes auf eine ganze Ländergruppe, durch gegenseitige Hilfeleistung verschiedener Länder und gegenseitige Ergänzung der verschiedenen Zweige ihrer Wirtschaft und Kultur, das heißt letzten Endes nur möglich ist in der Weltarena.
Das alte, im Jahre 1903 angenommene Parteiprogramm beginnt mit den Worten: "Die Entwicklung des Warenaustausches hat eine so enge Verbindung zwischen den Völkern der zivilisierten Welt hergestellt, daß die große Befreiungsbewegung des Proletariats international werden mußte und längst geworden ist ..." Die Vorbereitung des Proletariats für die bevorstehende soziale Revolution wird als Aufgabe der "internationalen Sozialdemokratie" bezeichnet. Jedoch, "auf dem Wege zum gemeinsamen Endziel ... sind die Sozialdemokraten der verschiedenen Länder gezwungen, sich ungleichartige nächste Aufgaben zu stellen". In Rußland ist eine solche Aufgabe der Sturz des Zarismus. Die demokratische Revolution wird im voraus als nationale Stufe zur internationalen sozialistischen Revolution betrachtet.
Die gleiche Konzeption bildet die Grundlage des neuen, schon nach der Machtergreifung durch die Partei angenommenen Programms. Bei der vorangegangenen Beratung des Programmentwurfs auf dem VII. Parteitag brachte Miljutin eine redaktionelle Verbesserung zu Lenins Resolution ein: "Ich schlage vor", sagte er, "die Worte "internationale sozialistische Revolution" dort einzufügen, wo "von der begonnenen Ära der sozialen Revolution" gesprochen wird ... Ich glaube, die Begründung dafür erübrigt sich ... Unsere soziale Revolution kann nur siegen als internationale Revolution.
Sie kann nicht in Rußland siegen, während in den es einkreisenden Ländern das bürgerliche Regime bestehen bleibt ... Ich schlage vor, zur Vermeidung von Mißverständnissen dieses einzufügen." Der Vorsitzende Swerdlow: "Genosse Lenin akzeptiert diese Verbesserung, so daß sich eine Abstimmung erübrigt." Die kleine Episode der parlamentarischen Technik ("Die Begründung erübrigt sich", und "eine Abstimmung erübrigt sich"!) stößt die falsche Historiographie der Epigonen vielleicht überzeugender um als die sorgfältigste Forschung Die Tatsache, daß Miljutin, wie auch der oben zitierte Skworzow-Stepanow, wie Hunderte und Tausende anderer ihre eigenen Ansichten bald als "Trotzkismus" verurteilen werden, ändert nichts an der Natur der Dinge. Große historische Ströme sind stärker ab die menschlichen Rückgrate. Die Flut erhebt, und die Ebbe spült ganze politische Generationen hinweg. Andererseits besitzen Ideen die Fähigkeit, weiterzuleben auch nach dem physischen oder geistigen Tode ihrer Träger.
Ein Jahr später, auf dem VIII. Parteitag, der das neue Programm bestätigte, wurde die gleiche Frage im Austausch scharfer Repliken zwischen Lenin und Podbelski erneut beleuchtet. Der Moskauer Delegierte hatte dagegen protestiert, daß trotz der Oktoberumwälzung von der sozialen Revolution noch immer in Zukunftsform gesprochen wird. "Pod-belski beanstandete", sagt Lenin, "daß in einem der Paragraphen von der bevorstehenden sozialen Revolution gesprochen wird ... Dieses Argument ist offensichtlich unstichhaltig, denn in unserem Programm ist die Rede von der sozialen Revolution im Weltmaßstabe." Wahrhaftig, die Parteigeschichte ließ den Epigonen nicht eine einzige unbeleuchtete Dek-kung!
In dem 1921 angenommenen Programm des Komsomol (Jugendverband) ist die gleiche Frage in besonders populärer und einfacher Form dargelegt. "Rußland besitzt zwar ungeheure Naturreichtümer", lautet einer der Paragraphen, "ist aber in industrieller Hinsicht ein rückständiges Land, in dem die kleinbürgerliche Bevölkerung überwiegt. Es kann zum Sozialismus kommen nur durch die proletarische Weltrevolution, deren Entwicklungsepoche wir beschritten haben." Dieses seinerzeit vom Politischen Büro (Politbüro) unter Beteiligung nicht nur von Lenin und Trotzki, sondern auch von Stalin angenommene Programm behielt seine volle Kraft noch bis zum Herbst 1926, wo das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale die Nichtanerkennung des Sozialismus in einem Lande einer Todsünde gleichstellte.
In den folgenden zwei Jahren sehen sich jedoch die
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