Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
Vom Netzwerk:
unbeschreiblich teuer, ich habe noch nie einen getroffen, der es bezahlen konnte.«
    »Und warum denkst du, ich könnte es bezahlen?«
    »Sein Preis ist die Perle, die dein Ahne Abraham vom Mond gepflückt hat«, sagte der Bettler.
    »Dann muß ich auf das Glück verzichten«, rief Levi aus. »Ich will nämlich mit dieser Perle meinen Bruder aus dem Gefängnis loskaufen.«
    Und er lachte wieder, und dieses Lachen ließ der Bettler als ein wirkliches Lachen gelten.
    »Nun hast du zum ersten Mal gelacht, seit wir uns kennen«, sagte der Bettler. »Es ist spät geworden. Wollen wir uns verabschieden, wir werden uns wohl nicht mehr wiedersehen.«
    Sie erhoben sich und reichten einander die Hand zum Abschied. Der Bettler ging als erster. Levi blieb noch stehen. In winzig kleinen Schritten näherte sich ihm ein Gedanke. Das Glück, dachte er. Ja, es ist wahr, was der Bettler sagte, man muß sich die Frage stellen: Was ist das Glück? Nein, es ist nicht richtig: Man darf sich nicht darauf hinausreden, jeder wisse, was das Glück sei, aber keiner könne es definieren. Man muß es wenigstens versuchen, man muß wenigstens eine Antwort versuchen.
    Er rief dem Bettler nach: »He, warte!«
    Augenblicklich blieb der Bettler stehen und stellte sein Bündel neben sich ab.
    »Was ist?«
    »Weißt du es?«
    »Ja, ich weiß es.«
    »Weißt du, was das Glück ist?«
    »Ja, ich weiß es.«
    »Dann sag es mir!«
    »Ich kann es dir nicht sagen. Aber wenn du willst, kann ich es dir zeigen.«
    Levi folgte dem Bettler. Der Bettler führte ihn in einen Palast, ein Palast so wunderbar wie der Palast des Pharaos. Der Tisch war gedeckt. Für zwei Personen. Der süße Geruch des Kuchens erfüllte den Raum. Der Tee duftete. Und in dem Palast stand ein Thron. Und auf diesen Thron setzte sich der Bettler.
    »Das alles gehört mir«, sagte der Bettler. »Gib mir die Perle, dann gebe ich dir das Glück.«
    »Ich gebe dir meine Perle nicht«, sagte Levi. »Laß mich das Glück nur anschauen, mehr will ich nicht.«
    »Ich kann es dir nur zeigen, wenn du die Perle in meine Hand legst«, sagte der Bettler.
    »Das heißt, ich lege sie dir nur in die Hand?«
    »Das heißt es.«
    »Die Perle liegt in deiner Hand, aber sie gehört immer noch mir?«
    »So ist es.«
    Da griff Levi in seine Tasche und holte die Perle heraus. Er wickelte sie aus dem Tuch, fühlte sie zwischen den Fingern. Betrachtete die Perle. Und legte sie in die offene Hand des Bettlers. Der gewiß kein Bettler war.
    »Und jetzt das Glück«, sagte Levi.
    »Glaubst du wirklich, du kannst das Glück anschauen, ohne daß du es besitzen willst?« fragte der Bettler.
    »Ich weiß nicht«, stammelte Levi. »Ich weiß es doch nicht.«
    »Aber ich weiß es«, sagte der Bettler. »Niemand kann das Glück anschauen, ohne daß er es auch besitzen will. So hat Gott den Menschen nun einmal geschaffen.«
    Der Bettler öffnete seine Hand und hielt sie Levi hin.
    »Nimm die Perle«, sagte er. »Verknote sie wieder in dein Tuch! Stecke sie in deine Tasche zurück!«
    Aber Levi dachte bei sich: Also, wenn Gott den Menschen nun einmal so geschaffen hat, was will sich da ein kleiner Mensch wie ich dagegen stellen? Und zugleich dachte er: Im Grunde genommen ist es nur eine Perle. Niemand sieht dieser Perle an, daß sie unser Urahn Abraham vom Mond gebrochen hat, niemand sieht dieser Perle an, daß er sie sein Leben lang an einer Kette um den Hals getragen hat. Die Perle sieht aus wie eine gewöhnliche Perle. Wie die Perlen, die es zu Hunderten hier auf den Märkten zu kaufen gibt. Der Vizekönig wird mich auslachen, wenn ich sie ihm vor die Füße lege. Niemals wird er Schimeon für diese Perle aus dem Gefängnis lassen. Er wird sagen, ich sei ein unverschämter Kerl. Er wird nicht nur Schimeon nicht aus dem Gefängnis lassen, er wird mich zu ihm sperren! Was war ich doch für ein Esel! Für dieses elende kleine Ding habe ich mein ganzes Hab und Gut hingegeben. Was bin ich doch übers Ohr gehauen worden! Und dachte, ich hätte übers Ohr gehauen! Ich bin der ärmste, unglücklichste Mann auf der ganzen Welt! Ich habe nichts, das ist die Wahrheit. Ich habe nichts. Aber dieser hier bietet mir für dieses Nichts das Glück. Was braucht einer, der nichts hat, der nichts ist, was braucht der, um seinen Bruder aus dem Gefängnis des ägyptischen Pharaos freizubekommen? Er braucht vor allem Glück!
    Und Levi sagte zum Bettler: »Behalte die Perle, gib mir das Glück!«
    Der Bettler legte die Perle in einen Mörser und

Weitere Kostenlose Bücher