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Geschichten von der Bibel

Geschichten von der Bibel

Titel: Geschichten von der Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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rein theoretisch und wirtschaftlich betrachtet eine Gefahr darstellen könnte? Könnte – ich sage absichtlich: könnte.«
    Der Händler meinte, Zephu wolle ihm und sich selbst mit einem Was-wäre-wenn-Spielchen die Zeit verkürzen. Solche Spielchen waren zu jener Zeit sehr beliebt, an den Schulen wurden sie in den Unterricht eingebaut, die Lehrer meinten, es fördere die Intelligenz, wenn die Schüler zu allem Bestehenden eine Alternative zu denken in der Lage wären. Manche behaupteten, dazu hätte sie Josef angehalten. Alles, was in Ägypten für gut gehalten wurde, führte man auf Josef zurück.
    »Ja, also wenn du so fragst«, sagte der Händler zu Zephu, »dann würde ich antworten: Am ehesten könnte – könnte! – König Turnus II. von Benevent eine Gefahr darstellen, rein wirtschaftlich betrachtet. Die Handwerker in seinem Land erzeugen in etwa das gleiche wie unsere Handwerker, ihr Überschuß dürfte nicht weit unter unserem liegen. Der Handel gedeiht. Das heißt, wir sind unmittelbare Konkurrenten. König Turnus II. ist der Sohn von König Turnus I., mit ihm haben wir auf allen Gebieten blendend zusammengearbeitet …«
    »Trotz aller Konkurrenz?«
    »Trotz aller Konkurrenz …«
    Zephu vermied es, dem Händler ins Gesicht zu sehen, er hatte den Kopf leicht erhoben und blinzelte unter den Lidern hervor. Damit machte er deutlich, daß es sich bei ihrem Gespräch um eine Spintisiererei handelte, worum es sich nicht gehandelt hätte, würden sich die beiden in die Augen gesehen haben.
    »Und warum«, fragte er, »warum könnte, jetzt einmal theoretisch gesprochen, König Turnus II. eine Gefahr für Ägypten sein, wirtschaftlich betrachtet?«
    »Sein Vater ist vor nicht langer Zeit gestorben, plötzlich verstorben.«
    Auch der Händler blickte ins Leere, es gefiel ihm, wie der Fremde, der ja doch eigentlich sein Freund war, das Spielchen vorantrieb, und er fuhr fort.
    »Man befürchtet, er hat seinen Sohn nicht richtig, das heißt, nicht vollständig auf das Amt des Königs vorbereitet. Turnus II. ist noch ledig. Das hat sicher nichts zu bedeuten, aber es erscheint in Wirtschaftskreisen nicht von Vorteil, wenn ein König ledig ist, da hat er Flausen im Kopf. Da kann es geschehen, daß Entscheidungen nicht aus logischen Schlüssen und stringenten Analysen resultieren, sondern aus dem Hormonspiegel, und der ist bekanntlich bei Unverheirateten schwankend. Er ist für uns unberechenbar, der junge König, er könnte ein wunderbarer König werden, wir wissen es aber nicht. Er ist ein Unsicherheitsfaktor, es wäre gut, wenn er bald heiraten würde.«
    »Und du meinst«, fragte Zephu nun in einem Ton, als sei für ihn mit der Beantwortung das Spielchen beendet, »wenn König Turnus II. die richtige Frau findet, wird auch keine Gefahr mehr für Ägypten bestehen, auf wirtschaftlichem Gebiet?«
    »So ist es. So ist es.«
    Und beide, der Händler und Zephu, nickten zufrieden.
    In der Hauptstadt trennten sich Zephu und der Händler.
    Zu Hause erzählte der Händler seiner Frau von dem Mann, und er sprach so begeistert von ihm, daß die Frau sagte: »Du redest, als hättest du die Klugheit und Liebenswürdigkeit, den Scharfsinn und die Güte in einer Person kennengelernt. Wenn er jetzt auch noch eine Schönheit ist, dann glaube ich es!«
    »Aber so ist es«, rief der Händler aus, »ganz genau so ist es.«
    Und als er merkte, daß er, ohne es beabsichtigt zu haben, in Wortwahl und Ausdruck die Art des Fremden nachgeahmt hatte, lächelte er und nahm sich vor, dabei zu bleiben.
    Zephu war in einer Herberge abgestiegen und schlenderte nun durch die Stadt. Es war Abend, da kam er zum Palast des Pharaos. Es war die Zeit der Wachablöse. Er ging auf den Hauptmann zu, der gerade sein Tagwerk beendet hatte, grüßte ihn in selbstbewußt höflicher Weise, stellte ihm einige Fragen dessen Beruf betreffend, es entspann sich ein Gespräch, und dem Hauptmann ging es ähnlich wie dem Händler: Auch er meinte, noch nie im Leben sei ihm ein Mensch begegnet, der in solcher Harmonie mit ihm schwang, der die Welt und die Menschen ebenso sah und deutete wie er, der über dasselbe lachte, sich über dasselbe Sorgen machte, dieselben Hoffnungen in sich trug.
    Zephu fragte, ob er den Hauptmann ein Stück begleiten dürfe, es sei so angenehm, mit ihm zu plaudern. Und das war dem Hauptmann recht, sehr recht sogar.
    »Du bist doch ein Fachmann in militärischen Fragen«, begann Zephu bald ein neues Gespräch. »Sehe ich das richtig?«
    »Ohne

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