Geschichten von der Bibel
ein vornehmer Mann war. Seine Großzügigkeit werden wir respektieren, über sein Grab hinaus. Deshalb werden Jakob und die Seinen von unserer Seite nichts zu befürchten haben. Aber vergessen werden wir nicht. Wir werden keinen Handel mit dem Geschlecht Jakobs treiben, wir werden einer ehelichen Verbindung zwischen einem unserer Söhne oder einer unserer Töchter mit Nachkommen des Jakob nicht zustimmen, wir werden Dritten gegenüber unsere Verwandtschaft leugnen. Der Stamm der Edomiter hat nichts gemeinsam mit dem Stamm Israel.«
Und die Söhne des Eliphas nickten mit grimmigen Mundwinkeln und ballten die Fäuste in den Taschen, aber sie versprachen zu handeln, wie ihr Vater es wünschte.
Nicht so Zephu. Zephu hatte zwar ebenso wie seine Brüder dem Vater sein Wort gegeben, nichts gegen Jakob und dessen Sippe zu unternehmen. Aber ein Ehrenwort war ihm nichts wert, und Wortbruch betrieb er, wo immer es ihm nützlich war.
Nein, Zephu war nicht der freundliche, der offene, der charmante, liebenswürdige Mensch, als der er allen erschien – dem Händler ebenso wie dem Hauptmann. Sein Auge war nicht das Spiegelbild seiner Seele. Er war getrieben von Haß. Es war aber ein besonderer Haß, ein Haß, der nur einen einzigen Adressaten kannte, so daß er ganz in der Seele seines Absenders verborgen blieb, wenn der mit jemandem sprach, der keine Rolle in dieser grausigen Leidenschaft spielte. Deshalb hielten die Leute Zephus Wesen für liebenswürdig und ohne Falsch – solange sie ihn nicht näher kannten.
Und was flüsterte dieser Haß dem Zephu ein?
»Daß wir Edomiter ein unbedeutendes Volk sind, daß wir arm sind, daß unseren Männern manchmal nichts anderes übrigbleibt, als in den Städten zu betteln, und unseren Frauen nichts anderes als die Hurerei, daran ist nur einer schuld – nämlich Jakob. Jakob und sein Volk Israel.«
Zephu hatte zwar nie in seinem Leben einen Israeliten zu Gesicht bekommen, die waren ja vor langer Zeit fortgezogen, nach Ägypten; aber das tat seinem Haß keinen Abbruch. Im Gegenteil.
»Jakob hat Esau mit dem Erstgeburtsrecht auch den Segen des Isaak gestohlen. Der Segen hat ihn reich gemacht. Hat ihn in das reichste Land der Welt geführt. Hat sein Volk dort zu Ansehen und Macht verholfen. Das alles hätte uns, den Edomitern, zugestanden!«
In Wahrheit aber dachte Zephu nur an sich. Seine Leute galten ihm nichts, zur schmalbrüstigen Rechtfertigung für seinen Haß mußten sie ihm herhalten.
»Ich«, sagte er sich, »ich bin so begabt, ich bin so klug, ich bin so weltgewandt, und ich habe dennoch nicht die geringste Chance. Wie leicht es mir doch fällt, die Gunst, sogar die Liebe der Menschen zu gewinnen! Und was hat es mir genützt? Was ist aus mir geworden? Ein armer Schlucker mit einem gut geölten Mundwerk!«
Daß er die Gunst, die Liebe der Menschen ebenso schnell wieder verlor, wie er sie gewonnen hatte, das führte er nicht darauf zurück, daß man ihn, wann immer er länger irgendwo blieb, durchschaute, sondern daß er, der Edomiter, ohne Segen war.
Der Neider will so viel haben wie der andere; der Mißgünstige wünscht, der andere möge so wenig haben wie er. Zephu war ein Mißgünstiger, und in seinem Herzen gedieh die Mißgunst, als wäre sie dort zu Hause. Und was ist der Mißgunst letztes Wort? Zerstörung.
Zephu machte sich auf den Weg nach Ägypten. Er wollte das Volk des Jakob, das Volk Israel suchen. Das war der Zweck seiner Reise. – Und dann? Was hatte er vor? Was war sein Plan? Hatte er überhaupt einen Plan?
Wer die Zerstörung will, der braucht keinen Plan. Nie ist ein Mensch freier in allem, was er denkt und tut, als wenn Ziel und Ende seines Trachtens Zerstörung heißen. Ihn brauchen keine Wahrheit zu kümmern, keine Logik, weder Strategie noch Taktik, gewiß nicht Moral, er kennt keine Hemmung. Was zerschlagen ist, läßt sich nicht mehr zusammenfügen. Nur der ungebundene, reine Zerstörungswille setzt die Phantasie in ungebundener, reiner Form frei. Konstruktives Denken und konstruktives Handeln machen Fehler, der Irrtum ist dem Konstruktiven inhärent. Zwischen dem konstruktiven Gedanken und seiner Materialisierung entstehen zwangsläufig Indifferenzen. Nie wird etwas genau so, wie es gedacht war.
Anders beim destruktiven Gedanken. Die Zerstörung in der Tat gleicht der Zerstörung im Gedanken aufs Haar. Der konstruktive Mensch ist immer und unausweichlich Bedingtheiten ausgesetzt, deshalb werden ihn der Zweifel und die Unzufriedenheit nie
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