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Geschlossene Gesellschaft

Geschlossene Gesellschaft

Titel: Geschlossene Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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vervielfachen. Ich kann in einem Brief nicht mehr dazu sagen, aber ich möchte so sehr, dass Sie es verstehen. Würden Sie am Tag nach der Untersuchung hier vorbeikommen, statt nach Reigate zu fahren? Dann kann ich Ihnen alles erklären. Machen Sie sich keine Sorgen wegen Tante Vita. Ich habe sie wegen unserer Freundschaft versöhnt. Bitte kommen Sie, es ist sehr wichtig.
    Herzlichst Diana
    Einige Stunden lang grübelte ich verwirrt über diesen Brief nach. Wie konnte die Situation schlimmer geworden sein, als sie schon war? Und warum sollte ich Diana im Amber Court treffen, wo Vita dabei war und uns daran hindern würde, offen miteinander zu reden? Es gab natürlich nur einen Weg, das herauszufinden, und das machte es auch nicht leichter, die Unsicherheit zu ertragen.
    Der Gerichtssaal in Dorking war am Morgen der Untersuchung überfüllt. Der Coroner, der eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem Feldscher hatte, dem ich in Mazedonien begegnet war, sah aus, als bevorzuge er ein kleines Publikum. Aber natürlich ließ sich die sabbernde Presse und auch die Öffentlichkeit die Chance auf einen Einblick in einen sensationellen Mordfall nicht nehmen. Sie hatten sich auf diesen Tag so gefreut, wie ich ihn gefürchtet hatte.
    Chefinspektor Hornby begrüßte mich mit seiner üblichen ärgerlichen Leutseligkeit und führte dann eine flüsternde Unterhaltung mit dem Gerichtsdiener. Vita und Diana betraten den Saal unter lautem Gemurmel der öffentlichen Galerie; ich tat so, als bemerkte ich sie nicht. Von den Wingates war nichts zu sehen - offensichtlich hatten sie sich entschieden, nicht teilzunehmen. Für diese kleine Gnade war ich ihnen dankbar.
    Pünktlich um 10 Uhr 30 wurde das Verfahren eröffnet. Eine Jury aus aufrechten Bürgern des Ortes wurde vereidigt und der erste der fünf Zeugen aufgerufen. Es war Diana, deren leise Stimme und würdevolles Verhalten den Coroner merklich beeindruckten. Sie beschrieb die Ereignisse der Nacht, ohne zu zögern. Ihren Sinneswandel, was die Flucht betraf; wie statt ihrer ihr Vater zu der Verabredung mit Max gegangen war; wie er nicht zurückkehrte; die Suche nach ihm; die Entdeckung seiner Leiche. Der Coroner versicherte sie des Mitgefühls des Gerichts, und sie ging unter beredtem Schweigen zurück an ihren Platz. Vita folgte ihr in den Zeugenstand und bestätigte aus dem lebhaften und unbeeinflussten Standpunkt einer ältlichen Jungfer, was ihre Nichte gesagt hatte. Der Coroner sprach ihr seine Anerkennung dafür aus, dass sie allein in der Dunkelheit bei dem Leichnam ihres Bruders gewartet hatte, und ihre Antwort - dass sie nur ihre Pflicht erfüllt habe - rief allseits zustimmendes Gemurmel hervor.
    Ich wurde als nächster aufgerufen. Sobald ich zugegeben hatte, Max' Freund zu sein, spürte ich, wie die Atmosphäre um mich herum kühler wurde. Ich wurde in seiner Abwesenheit sozusagen stellvertretend zum Bösewicht gemacht. Der Coroner, der sich den Ladies gegenüber sanft und freundlich gezeigt hatte, wurde plötzlich knapp und streng.
    »Erschien Ihnen diese Eskapade nicht ungeheuer unverantwortlich, Mr. Horton?«
    »Nein, Sir. Das tat sie nicht.«
    »Was war Ihrer Meinung nach geschehen, als Ihr Freund nicht zurückkehrte?«
    »Das wusste ich nicht. Deshalb bin ich ihn suchen gegangen.«
    »Haben Sie gesehen, wie er den Tatort verließ?«
    »Ich habe gehört, wie jemand weglief.« »Aber diese Person ist in Ihrem Wagen weggefahren. Wer außer Mr. Wingate hätte wissen können, wo der Wagen stand? Und wer außer Mr. Wingate hätte es sein sollen?«
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Waren Miss Vita Charnwood und Miss Diana Charnwood schon da, als Sie den Leichnam erreichten?«
    »Ja, Sir.«
    »Und es war offenkundig für Sie, dass Mr. Charnwood ermordet worden war?«
    »Es war mir klar, dass er eines gewaltsamen Todes gestorben war.«
    »Durch wessen Hand?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Haben Sie sich nicht selbst gefragt, ob Ihr Freund eine solche Tat hätte begehen können?«
    »Natürlich.«
    »Und zu welchem Schluss sind Sie gekommen?«
    »Ich konnte nicht glauben, dass er fähig war, irgendjemanden zu ermorden.«
    »Aber war er fähig, Mr. Charnwood zu ermorden?« Er starrte mich durchdringend an. »Unter den gegebenen Umständen, Mr. Horton?«
    Ich wappnete mich gegen die Feindseligkeit, die meine Antwort zweifellos auslösen würde. Was ich jetzt sagen würde, war zwar nur für Max und mich wichtig, denn das Urteil stand schon längst fest. »Nein, Sir. Ich glaube

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