Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
der Pistole geschossen. Das fand ich irgendwie komisch.«
Beide schwiegen.
»Noch mal zurück zu Hagebusch und seiner gekränkten Ehre«, fing Angermüller dann wieder an. »Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass der Mann plötzlich zu einem engagierten Tierschützer geworden ist. Aber mit dem Video hatte er eben auf einmal richtig was in der Hand. Damit hätte er nicht nur dem Oswald, sondern vor allem dem Petermann so richtig Ärger machen können.«
»Na klar. Dat Video im Fernsehen mit einem kleinen Hinweis auf seine Firma hätt dem Petermann bestimmt nich gefallen.«
»Ich denke, da kann uns nur der Herr Petermann selbst weiterhelfen. Dann fahren wir doch gleich mal hin und zeigen ihm dieses Werbefilmchen über seine hochwertigen Rohstoffe.«
»Dat machen wir glatt.«
Sie bezahlten ihre Rechnung, und Angermüller trank schnell seinen Espresso.
»Weißt wat, wir sind aber auch Dösbaddel!«, stellte Jansen plötzlich fest. »Die ganzen Botten, die da im Hauseingang standen, Mensch! Wir müssten da eigentlich noch mal hin, bevor wir zu Petermann fahren.«
»Meinst du, das bringt uns was? Glaubst du denn, der Oswald könnte direkt was mit der Geschichte zu tun haben?«
»Weiß nich. Einfach der Vollständigkeit wegen. Das gehört zumindest zu unserer Ermittlungssorgfalt.«
»Ermittlungssorgfalt! Tsss«, Angermüller musste grinsen. »Du redest ja schon wie unser verehrter Kriminaldirektor!«
»Außerdem is dat ja wohl kein Alibi, wenn er angeblich zu Hause war und seine Frau, die das bestätigen soll, gar nich da gewesen ist. Und ob der Sohn dat besser kann, müssen wir erst noch abchecken.«
»Du hast recht. Kann nicht schaden, noch einmal dort vorbeizuschauen. Auch wenn ich nicht glaube, dass jemand die Klamotten, die er bei einem Verbrechen getragen hat, einfach so in seinen Hausflur packt. Aber wir machen das, was dein Pflichtgefühl verlangt. Liegt ja fast am Weg.«
»Okay. Ich verschwinde noch mal – und denn lass uns los.«
Auch Angermüller stand von seinem Stuhl auf und ging nach draußen zum Wagen. Dankbar knöpfte er seinen alten Lodenmantel zu, der ihn perfekt gegen die zunehmende Kälte schützte. Und Astrid hätte das gute Stück am liebsten zur Altkleidersammlung gegeben! An den entblätterten Büschen neben dem mit nur wenigen Autos belegten Parkplatz schrumpelten die Hagebuttenfrüchte im fahlen Herbstlicht. Der Kommissar sah zum Himmel, über den sich blauviolette Schlieren zogen. Ob es heute vielleicht schon den ersten Schnee geben würde? Sein Handy sandte das Signal für eine eingehende SMS. Anita schlug vor, sich heute Abend in der Bar des großen Hotels am Holstenhafen zu treffen. War das ein unerwarteter Anflug von Romantik bei ihr? Auf der Terrasse dort hatte er mit ihr den Abend vor ihrer ersten gemeinsamen Nacht verbracht, erinnerte sich Angermüller. Aber Romantik, das passte nicht zu ihr.
Ach ja, Anita. Irgendwie war er plötzlich unschlüssig, ob er ihr Interesse an seiner Person weiterhin einfach als angenehme Abwechslung genießen wollte. Die kapriziöse, junge Rechtsmedizinerin war völlig anders als Astrid, viel lockerer, nicht immer so unglaublich ernsthaft und vernünftig. Charakteristisch für Anita war aber auch eine gewisse Unverbindlichkeit, zumindest was ihr Privatleben anbetraf. Sesshaftigkeit und Konstanz waren ihre Sache nicht. Andererseits schien sie manchmal genau darunter zu leiden. Auch Kinder waren in ihrem Lebensentwurf nicht vorgesehen. Sie wollte frei und unabhängig bleiben, betonte sie immer. Nur bezüglich ihrer Karriere sah das anders aus, dafür nahm sie manche Einschränkung ihrer individuellen Freiheit in Kauf. Wenn Angermüller ehrlich war, lagen ihm viele von Anitas Vorstellungen ziemlich fern, und im Grunde suchte er für sich nach etwas ganz anderem. Bevor er die Betrachtung seiner Lebensphilosophie vertiefen konnte, tauchte Jansen wieder auf. Da Angermüller mit der zierlichen Tastatur seines Handys ohnehin auf Kriegsfuß stand, schickte er Anita nur ein simples ›Okay‹ zurück.
»Ach, was gibt’s denn noch?«
Frau Oswald, jetzt ohne Schürze, schaute überrascht, als die Kommissare nur eine Stunde später schon wieder vor ihrer Tür standen.
»Mein Mann ist aber nicht da.«
»Wir wollten ihn gar nicht unbedingt sprechen.«
Angermüller sah sich in dem Windfang um.
»Ach, Sie haben inzwischen aufgeräumt? Hier standen doch vorhin so viele Gummistiefel herum.«
»Wissen Sie, wenn Sie zwei Männer im Haus haben,
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