Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
manchmal drei sogar! Da kannst reden und machen und tun – dat geht nich in die Köppe rein. Die lernen einfach nicht, was Ordnung heißt.«
Frau Oswald schüttelte empört den Kopf.
»Und immer Freitag räum ich denn gründlich auf, steck alles in die Waschmaschine. Ist ja man nich so, dat meine Jungs zu wenig Botten und Klamotten hätten. Die haben genug zum Wechseln, die machen’s nur nich von allein.«
»Ja, ich versteh«, nickte Angermüller. »Sagen Sie, welche Schuhgröße hat eigentlich Ihr Mann, Frau Oswald?«
»Jan Otto hat 46,5. Der tut auf großem Fuß leben, und die Kinder kommen auch nach ihm. Der Große hat 46, und Lennart is mit 43 auch schon gut dabei. Und dat kost ein Geld, wenn die Füße so schnell wachsen, dat glaubst nich! Alle paar Monate neue Schuhe.«
Plötzlich unterbrach die Frau ihr Lamento.
»Aber sagen Sie mal, warum wollen Sie das eigentlich alles wissen? Wieso interessieren Sie sich für die Schuhe meines Mannes? Hat das auch was mit der Bande zu tun, die hier immer einbricht?«
Ihr misstrauischer Blick streifte die Beamten.
»Indirekt ja«, bestätigte Angermüller.
So richtig zufrieden war Frau Oswald nicht mit der Auskunft.
»Hören Sie, wenn Sie denken, mein Mann hat was mit dem Tod von diesem Zeitungsmenschen zu tun!«
»Wie kommen Sie jetzt darauf?«
»Jan Otto hat mir doch vorhin erzählt, dass Sie ihn nach dem gefragt haben, von dem heute das in der Lübecker steht. Jan Otto kennt den Mann doch gar nicht! Warum soll er dem was tun? Und außerdem is er doch kein Verbrecher!«
»Das hat auch niemand behauptet, Frau Oswald.«
»Ja, ja«, antwortete die Bäuerin missmutig, ohne jede Überzeugung.
»Wo ist Ihr Mann eigentlich jetzt?«
»Der musste noch mal zu einem Kunden. Sehen Sie, es ist Freitagnachmittag, kein Mensch arbeitet mehr um diese Uhrzeit. Aber wir dummen Bauern, wir müssen ran, wenn der Kunde das verlangt. Wochenende? Kennen wir nich! Die Arbeit hier hat kein Ende, aber was dabei rumkommt, kannst vergessen. So is dat!«
Die Frau schien den Moment für günstig zu halten, sich die ganze Verbitterung über ihr unglückliches Dasein von der Seele zu reden. Dass die beiden Polizisten an diesem Freitagnachmittag auch noch im Dienst waren, übersah sie dabei. Sie war aber noch nicht am Ende:
»Und dann tauchen auch noch diese Idioten von Tierschützern auf und machen uns zusätzlich das Leben schwer. Dat is doch allns … Ein oller Schietkram is dat!«
Sie fingerte aus der Tasche ihrer Jeans ein Papiertaschentuch. Ihr Ausbruch war eine Mischung aus Wut und Verzweiflung. Es fehlt nicht viel und sie fängt an zu heulen, mutmaßte Angermüller.
»Zu welchem Kunden musste Ihr Mann denn?«, fragte er schnell.
»Na, zu dem Petermann schon wieder. Der glaubt wohl auch, weil er unser größter Kunde is, er brauch nur pfeifen und Jan Otto springt sofort.«
»Muss Ihr Mann da öfter hin?«
»Ach, ich weiß nich.«
Sie machte eine unmutige Geste.
»Der Jan Otto hofft natürlich auch, dass der Petermann uns irgendwie helfen kann wegen dieser Einbrüche. Aber ich hab ihm gesagt, sei vorsichtig, wir sind schon abhängig genug von dem Mann als unserem größten Abnehmer. Und umsonst hilft der Petermann dir bestimmt nich!«
Als Frau Oswald erneut die Klage über ihr schweres Los als Frau eines Bauern anstimmen wollte, bedankten sich die Kommissare schnell für ihre Auskünfte. Angermüller fragte noch nach dem jüngsten Sohn. Doch Lennart war noch nicht wieder zu Hause, also machten sie sich auf den Weg zur Feinkostmanufaktur Landglück.
»Tscha, dat warn Schuss in Ofen. Die Schuhgröße passt schon ma nich zu der Spur, die Ameise gefunden hat.«
»Mmh.«
»Mit dem Jungen sollten wir später aber trotzdem noch mal schnacken, um das Alibi von dem Oswald abzuchecken.«
»Mmh.«
»Mann, warum sachst du nix?«
»Machst du doch schon. Ich stimme dir uneingeschränkt zu.«
Angermüller war wieder einmal dabei, in seinem Kopf die Fakten zu sortieren. Er versuchte zum wiederholten Mal, die Beziehungen Hagebuschs zu allen bisher an diesem Fall Beteiligten zu bewerten, nach ihrer Wichtigkeit, ihrer Nähe zuzuordnen, um konkrete Anknüpfungspunkte herauszufinden. Doch der Weg zur Petermann’schen Fabrik dauerte keine Viertelstunde und reichte ihm nicht aus, um zu einem Ergebnis zu kommen. Als sie in die Zufahrt zum Firmengelände einbogen, kam ihnen vom anderen Ende ein Wagen entgegen. Für die schmale Straße fuhr er mit einer viel zu hohen
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