Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
Teich und einer Brücke mit einem weißen Torbogen, den die gleichen glänzendroten Ziegel zierten, wie das Dach des Hauses.
»Und wo sind nu die teuren Fische?«, fragte Jansen und spähte interessiert in den Teich.
»Du meinst, die haben Koi Karpfen hier?«
Auch Angermüller warf einen Blick ins Wasser.
»Stimmt, das würde zu den Leuten passen.«
Aber in dem Gewässer bewegte sich nichts. Auch in der Villa schien niemand zu Hause zu sein.
Sie wollten gerade in ihren Dienstwagen steigen, da bog der weiße Mini auf den Hof. Heute in einem schwarzen Mäntelchen, schwang die Frau des Juniorchefs ihre in hochhackigen roten Stiefeln steckenden Beine aus dem Auto.
»Falls Sie meinen Mann sprechen wollen, der ist nicht da«, rief sie den Kommissaren zu und entnahm dem Wagen eine ganze Reihe von Einkaufstüten, auf denen die Labels edler Designer prangten.
»Er hat mich vorhin angerufen, da war ich noch in Hamburg, und mir gesagt, dass er geschäftlich nach Frankreich muss.«
In einer lässigen Bewegung schloss sie mit der Fernbedienung den Wagen ab und ging an den Kommissaren vorbei in Richtung Haus. Ihre hochgesteckten blonden Locken wippten auf und ab. So richtig interessiert schien sie nicht an den beiden oder an ihrem Anliegen.
»Die Geschäftsreise Ihres Mannes hat sich erst so kurzfristig ergeben?«, fragte Angermüller hinter ihrem Rücken.
Erstaunt drehte sie sich nach ihm um.
»Keine Ahnung«, sagte sie gelangweilt. »Ich rede nicht mit Jörn über seine Geschäfte. Aber wenn das so wichtig ist, rufen Sie ihn doch einfach an. Er hat ja bestimmt sein Handy dabei.«
Damit war für Frau Petermann die Unterhaltung beendet. Sie verschwand ohne ein weiteres Wort im Haus.
»Wat war dat denn?«, meinte Jansen etwas perplex. »Sieht ja ganz scharf aus, die Torte, aber die redet nich mit jedem. Bei der hast nix zu lachen, dat sech ich dir.«
»Du hast ja richtig Menschenkenntnis, Claus. Aber anstatt jetzt über deine Vorstellung einer Idealfrau zu diskutieren, hab ich einen anderen Vorschlag: Wir sollten noch einmal zu Oswald fahren und ihn fragen, worüber er sich so aufgeregt hat, dass er wie ein Verrückter hier durch die Gegend gefahren ist. Vielleicht steckt da irgendwas dahinter, was mit unserer Sache zu tun hat.«
Auf dem Oswaldschen Hof trafen sie nur die mittlerweile gar nicht mehr freundliche Bäuerin an.
»Ich hab Ihnen doch vorhin schon gesagt, dat Jan Otto nich hier is!«
»Wann erwarten Sie ihn denn zurück?«
»Keine Ahnung, was der heute Nachmittag noch vorhat. Spätestens zum Abendbrot um sieben wird er wohl wieder da sein. Und jetzt hab ich keine Zeit mehr zum Schnacken. Unsereins muss nämlich arbeiten.«
Den Kommissaren blieb kaum Zeit, sich zu verabschieden, da Frau Oswald mit einer heftigen Bewegung einfach die Haustür vor ihnen zudrückte. So stiegen sie unverrichteter Dinge wieder in ihren Dienstwagen, um sich auf den Weg zurück nach Lübeck zu machen. Während sie zügig über den schmalen asphaltierten Streifen rollten, der kerzengerade durch die Landschaft verlief, hing jeder der Polizisten seinen Gedanken nach.
Angermüllers Blick schweifte zu den kahlen Baumkronen an den Feldrainen. An den Ästen hielten sich nur noch wenige gelbe Blätter fest. Dazwischen kamen hier und da verlassene Vogelnester ans Licht, die im Sommer gut geschützt hinter dichtem Grün verborgen gewesen waren. Wann würde sich in ihrem Fall endlich das Dunkel lichten? Gehörten die Tierschützer immer noch zu den Hauptverdächtigen? Die Inszenierung am Tatort, der Drohbrief, das Video – auch wenn unterschiedliche Personen dahinter standen, alles schien immer wieder auf die Tierschützerszene hinzudeuten. Wenn aber nun jemand nur den Verdacht auf die Tierschützer hatte lenken wollen? Das Video war der Dreh- und Angelpunkt. Es verband Hagebusch mit den Tierschützern ebenso wie mit Oswald. Hatten die beiden doch irgendetwas miteinander zu tun gehabt?
Plötzlich quietschten die Reifen, und Angermüllers Oberkörper wurde bei dem abrupten Bremsmanöver vom Sicherheitsgurt unsanft daran gehindert, weiter nach vorn in Richtung Windschutzscheibe zu fliehen. Im nächsten Moment prallte der Kopf des Kriminalhauptkommissars nach hinten gegen die Kopfstütze.
»Sage mal, spinnst du?«, empörte sich Angermüller.
»Stand der eben auch schon da?«, fragte Jansen nur und zeigte mit dem Finger zu einem kleinen Wäldchen. Ein Feldweg führte daran entlang.
»Dat is doch seiner, oder?«
Ein Kastenwagen
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