Geschmiedet im Feuer
Jetzt lachte sie jedoch nicht. Das, was ihr angetan worden war, setzte ihr offenbar so sehr zu, dass sie einen Sündenbock brauchte.
»Er hat dich geliebt, Ginny. Du weißt, dass er dich geliebt hat.«
Ginny entriss ihr ihre Hand. »Ja. Klar. Ich wette, er hat nicht einen Tag bei der Arbeit gefehlt. Vermutlich war er erleichtert, dass ich nicht da war, um ihn zu nerven, dass er endlich aus seiner Werkstatt und ins Bett kommt.«
Beth stieß zischend den Atem aus. Diese Anschuldigung spiegelte Ginnys Wut nur zu gut wider. Und ihren Schmerz. »Das istnicht wahr. Er musste zur Arbeit gehen. Das war der einzige Weg, wie er dich und Kyle zurückbekommen konnte.«
Sie lachte schrill auf. »Das hat er dir gesagt?«
Beth sackte auf den Stuhl, der neben dem Bett stand.
In Ginnys Augen stand zu viel Wut, ebenso in ihrem erstarrten Gesicht. Dieser Zorn ging über das hinaus, was ihr diese Schweine angetan hatten. So etwas baute sich nicht über Nacht auf. Ein solcher Schmerz, der so tief saß, kam nicht von einer Notsituation wie der Entführung. Das hatte sich im Laufe der Jahre entwickelt. Die Grundlage dafür musste schon lange bestehen und es hatte unter der Oberfläche gebrodelt. Die Entführung mochte ihr die Maske entrissen haben, doch die Gefühle waren schon da gewesen.
Wie hatte sie so blind sein und den Schmerz ihrer besten Freundin übersehen können?
»Hat er dir das gesagt?«, wiederholte Ginny in fast vorwurfsvollem Tonfall. »Dass er arbeiten musste?«
»Nein«, flüsterte Beth. »Er hat mir gar nichts gesagt. Er war schon tot, als ich herausgefunden habe, was los war, aber er musste zur Arbeit gehen. Um euch zurückzubekommen, sollte er Waffen im Flieger nach Hawaii verstecken.«
Ginny lachte erneut schrill auf und legte sich den Unterarm über die Augen. »Das muss die Entführer wohl ziemlich verärgert haben, was auch erklärt, warum sich gestern alles geändert hat. Zu schade, dass sie mir nicht gesagt haben, warum wir entführt wurden. Ich hätte ihnen gleich gesagt, dass Todd nie etwas tun könnte, wodurch eines seiner verdammten Flugzeuge beschädigt wird.«
Beth riss erschrocken den Mund auf. Sie beugte sich vor, um Ginnys Arm zu berühren, zuckte jedoch im letzten Moment zurück. »Er hat die Waffen im Flugzeug deponiert. Und zwar alle. Er hat eure Konten geleert. Er hat alles getan, was sie von ihm verlangt haben, weil er hoffte, euch so zurückzubekommen.«
Ginny hob den Arm ein kleines Stück und sah Beth ebenso ungläubig wie verletzt an.
»Du lügst. Du willst nur, dass ich mich besser fühle. Mir war seit Jahren klar, wie wichtig wir Todd sind. Wir kamen an letzter Stelle.«
Die Welt schien sich um Beth zu drehen und sie hatte das Gefühl zu fallen, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. »Das stimmt doch gar nicht und das weißt du auch. Todd ist immer für dich da gewesen.«
»
Wann
? Wann war er jemals für mich da? Du hast mehr Zeit mit uns verbracht als Todd. Du warst immer diejenige, die an meinen und an Kyles Geburtstag gedacht hat. Du hast mir bei der Geburt beigestanden.«
»Er wäre auch bei dir gewesen, aber er war gar nicht in der Stadt, weißt du das nicht mehr? Er war auf einer Konferenz.«
»Und ich hatte ihn angefleht, nicht hinzufahren. Die Geburt unseres Sohnes stand kurz bevor. Unseres ersten Kindes.« Ginny holte Luft und sah auf ihren Sohn herab. Als sie dieses Mal seine Wange streichelte, zitterten ihre Finger. »Aber er ist trotzdem gefahren und hat gesagt, ich solle mir keine Sorgen machen.« Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern, als wäre ihr Zorn verraucht und hätte ihr dabei auch die Kraft geraubt. »Ich habe ihn um die Scheidung gebeten. An dem Morgen, an dem sie uns entführt haben, habe ich ihm gesagt, dass ich mich scheiden lassen will. Ich wollte, dass er endlich aufwacht. Und weißt du, was er dazu gesagt hat? Wir könnten
nach der Arbeit
darüber reden.« Sie sah Beth gequält an. »Er dachte immer nur an die Arbeit, seine Erfindungen oder irgendeine Konferenz. Alles war wichtiger als seine Familie. Amy hat nie daran gezweifelt, dass John alles Menschenmögliche tut, um sie zurückzubekommen. Wenn man es Todd überlassen hätte, dann wären Kyle und ich an diesem schrecklichen Ort gestorben.«
Beth starrte ihre desillusionierte Freundin an. Wie konnte sie Ginny davon überzeugen, dass ihr Mann sie geliebt und versucht hatte, sie zurückzubekommen? Vielleicht würde sie das Foto überzeugen, das Chastain ihr gezeigt hatte, auf
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