Geschöpfe Der Ewigkeit
Hochland, das ich vor einem bösen Herzog verteidige. Wieder stirbt der Mann, den ich liebe, und im nächsten Moment befinde ich mich vor der Inquisition und verdamme Arturo zum Tod. Arturo, der mir mehr bedeutet hat als jeder andere. Ich sehe seine Augen, während ich ihn verfluche, aber ich sehe nicht in sein Herz, erkenne nicht, daß er mich längst ausgetrickst hat. Ich sorge für seinen Tod, aber er stirbt nicht.
Schließlich spaziere ich durch die trockenen Hügel von Medina auf Sizilien, knabbere an einer Rebe Trauben und frage mich, was ich als nächstes vorhabe.
Es ist das neunte Jahrhundert, und obwohl es Abend ist, ist die Luft heiß.
Dies ist mein erster Aufenthalt auf Sizilien, tag zuvor bin ich auf einem Segelboot von Italien aus angereist. Irgend etwas hat mich zu genau dieser Stelle gezogen, aber bisher weiß ich nicht, was es war. Mein langes blondes Haar steckt unter einer Kappe, und ich trage eine graue Hose und eine kurze Tunika aus Leinen. Ich könnte genausogut ein Junge sein mit meiner weiten Kleidung und dem langen stählernen Messer, das in meinem Gürtel steckt. Die Sonne steht am Himmel, aber ich vertrage ihre Strahlen gut.
Dann beobachte ich mich nicht länger.
Ich bin wieder sie, befinde mich im Körper dieses Mädchens, und es ist für keinen von uns einfach.
Einen Moment lang spüren wir beide die Dualität. Ich bin ihr fremd; sie kennt mich nicht.
Ich habe das Gefühl, als ob ich mit einem Schatten zusammenstoße, und gleichzeitig glaubt dieser Schatten, daß sie die Richtige ist und ich der Geist bin.
Ich brauche einen Augenblick lang, um es zu erklären, und dieser Augenblick führt beinah zur Katastrophe. Diese Sita verfügt nur über einen Teil meiner Erinnerungen, und keinesfalls kennt sie sich mir fliegenden Untertassen und mentalen Zeitreisen aus. Ich muß ihr diese Möglichkeiten durch die Mauer ihres Widerstands oktroyieren, und kurz scheint es, als würden unserer beider Seelen explodieren. Dann erkenne ich, daß es hoffnungslos ist, daß ich mich nicht durch mich selbst bezwingen kann. Ich entspanne mich, halte mich zurück, und unvermittelt erwacht ihre Neugierde. Sie will wissen, wer ich bin, denn sie spürt, daß sie zumindest einen Teil von mir kennt. Ich war immer für neue Erfahrungen offen, und mir selbst auf einer langen, leeren Straße zu begegnen ist das absurdeste Erlebnis, das ich jemals hatte. Mein jüngeres Ich ruft mich an.
»Ritorna da me«, sagt sie. Komm zurück zu mir.
»Fa bene«, antworte ich laut. In Ordnung.
Sita wirkt verblüfft. Wer spricht hier mit wem?
Ihre Neugier ist stärker als ihre Angst.
Und so gelingt es mir, in sie hineinzuschlüpfen, wo ich auch bleibe.
Schließlich versteht sie.
Das Gefühl, daß es sich bei uns nicht um ein und dieselbe Person handelt, ist vorüber. Ich bin Alisa Perne aus dem zwanzigsten Jahrhundert, die sich im Sizilien des neunten Jahrhunderts befindet, um ein Ungeheuer zu besiegen. Es gibt nur noch mich, und ich bin fest entschlossen, mein Ziel zu erreichen. Landulf sollte sich vorsehen!
Auf der anderen Seite des Hügels höre ich Schreie. Dante!
Eben noch wußte ich nicht, daß ich ihn treffen würde, aber jetzt ist mir, als ob er meinen Namen ruft. Ich lasse die Trauben fallen und laufe zu meiner Ver-abredung mit der Vergangenheit. Schon jetzt habe ich nicht mehr das Gefühl, aus der Zukunft zu stammen. Vielleicht ist die andere Sita genauso präsent wie ich es bin.
Gleichzeitig spüre ich, daß ich nicht mehr so schnell bin wie zuvor. Meinem jetzigen Körper fehlen die Infusionen von kraftvollen Blut, die ihn gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts noch stärker gemacht haben. Jetzt bin ich nur ein einfacher Vampir, der nicht einmal Gedanken lesen kann. Alles, was ich im Augenblick meiner eigenen Vergangenheit voraus habe, sind die Erinnerungen an Ereignisse, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal geschehen sind. Sie sind meine einzige Waffe gegen Landulf.
Als ich auf die andere Seite des Hügels komme, finde ich dort Dante vor, nackt, blutend und mit seinem rechten Arm und seinem rechten Fuß durch ein Seil an einen dürren Baum gefesselt. Um ihn herum stehen zwei Männer und eine Frau.
Die beiden Männer halten Schwerter in den Händen, mit deren Spitzen sie Dantes Haut ritzen, um ihn zum Singen zu bringen. Um Dantes Hals liegt ein weiteres Seil. Die Bedeutung der Szene ist klar für mich: Wenn Dante aufhört zu singen, werden sie die anderen Seile durchschneiden, und er wird erhängt
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