Geschöpfe Der Ewigkeit
großer Schmerz, aber ich habe sie immer und immer wieder gehört in den Jahrhunderten, die ich schon auf dieser Welt bin. »Non voglio morire.« Ich will nicht sterben.
Dante antwortet für mich und prägt dadurch den Spruch, den ich von nun an gern und häufig verwende.
»Dann hättest du niemals geboren werden dürfen«, sagt er.
8.
KAPITEL
Später in dieser Nacht, während ich am Feuer sitze, grüble ich darüber nach, daß ich diese zwei Männer und die Frau genauso getötet habe wie schon einmal zuvor. Das Wissen, daß ihr Tod unvermeidlich war, hat mein Verhalten nicht im geringsten beeinflußt. Nicht ein einziges Wort, das wir ausgetauscht haben, war anders als damals. Ich frage mich, aus wessen Zukunft ich eigentlich komme.
Dante sitzt mir gegenüber. Er trägt Pinos Kleidung, aus der er das Blut herausgewaschen hat. Mein neuer Freund ist damit beschäftigt, einen Hasen über dem Feuer zu betrachten, den ich für ihn gefangen habe. Das Fleisch ist auf einen Stock aufgespießt und wird von Minute zu Minute würziger. Das tropfende Fett zischt in den Flammen. Dante leckt sich die mitgenommenen Finger, und seine dunklen Augen funkeln vor Freude. Seitdem ich ihn gerettet habe, murmelt er Gebete vor sich hin.
»Ich weiß, daß dies ein Abend voller Wunder ist«, sagt er. »Das Licht und die Segnungen des Himmels folgen unseren Spuren. Es kann keine andere Erklärung dafür geben, daß eine hilflose Dame in der Lage war, mich zu erretten.«
Ich lache.
»Dante, bitte nenn mich nicht so. Oder ich werde dir noch einmal beweisen müssen, daß diese Bezeichnung nicht gerechtfertigt ist.«
Er entschuldigt sich auf der Stelle: »Ich wollte Euch nicht beleidigen, meine Dame. Ich wollte nur Gott in seiner unendlichen Gnade lobpreisen. Ihr seid sein Instrument auf dieser Welt, das spüre ich tief im Herzen.« Er ändert die Position des Hasen über dem Feuer und leckt sich die rissigen Lippen. »Wir können schon bald essen.«
»Du kannst alles haben«, erkläre ich. »Ich habe bereits gegessen.«
Er ist beleidigt. »Wenn Ihr nicht mit mir eßt, meine Dame, werde ich selbst hungrig bleiben. Es ist nicht richtig, daß ich stets nur von Euch nehme.«
Ich lächle. »Es gibt etwas, das du mir im Austausch geben kannst: Informationen. Ich war noch niemals zuvor auf Sizilien. Erzähl mir über dieses Land.«
Seine Miene hellt sich auf. »Es ist ein wundervolles Land, meine Dame, voller Obstgärten und hohen Bäumen auf den Hügeln. Wenn Ihr in der Nähe von Messina bleibt und Euch nicht allzu weit von den vielbefahrenen Straßen entfernt, werdet Ihr einen angenehmen Aufenthalt haben.«
»Wenn ich mich nicht von den vielbereisten Straßen entfernt hätte, hätte ich dich heute abend nicht retten können. Aber ich verstehe nicht, warum du sagst, daß ich ausschließlich in der Nähe von Messina bleiben soll. Gewiß sind die Moslems noch nicht an den südlichen Küsten der Insel gelandet?«
Sein Gesicht verdüstert sich. »Aber sicher doch, meine Dame. Ein Teil ihrer Truppen kampiert an den Stränden im Südwesten. Habt Ihr noch nicht davon gehört?«
»Nein. Ich habe gehört, daß der Herzog von Terra di Labur im Süden die Macht hält, mit vielen bewaffneten Rittern.«
Dante beginnt zu zittern. »Sprecht seinen Namen nicht aus, meine Dame, denn er trägt ihn nicht länger. Er hat sich gegen den Gott der Christenheit gewendet und seine eigenen Ritter grausam ermordet. Nur durch seine Macht und seinen Schutz ist es den Heiden gelungen, ihre Truppen auf Sizilien zu landen.«
Ich bin überrascht, obwohl ich all diese Dinge tief in mir schon weiß. Doch mit jeder weiteren Stunde, die vergeht, erscheint mir die Zukunft mehr wie ein Traum. Ich weiß, daß sie existiert, und ich weiß, daß ich aus ihr stamme, aber ich muß mich konzentrieren, um mir dieses Wissen zu vergegenwärtigen. Aber das macht mir keine Sorgen. Es scheint vollkommen natürlich, daß ich mich jetzt und hier befinde, bei Dante und seinen Geschichten über den verräterischen Herzog und dem über dem Feuer brutzelnden Hasen. Aber offenbar habe ich Dante den Appetit verdorben, indem ich ihn nach dem Herzog gefragt habe. Er starrt so grämlich auf das Feuer, als habe er statt des Bratens ein Bild der Hölle vor Augen. Er kratzt seine leprösen Gliedmaßen, und auch daran erkenne ich, daß meine Frage ihm Schmerz bereitet. Doch mir ist klar, daß ich alles über die gegenwärtige politische Situation erfahren muß.
»Wie nennt sich der Herzog jetzt?«
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