Geschöpfe Der Ewigkeit
diesem Zeitpunkt fließt weder Yakshas Blut noch das meiner Tochter in meinen Adern. Ich bin stark, doch nur ein Schatten dessen, was ich in der Zukunft sein werde. Seitdem ich nach Sizilien zurückgekehrt bin, habe ich nicht mehr gespürt, daß ich die Kraft der Psychokinese besitze, die Fähigkeit, Dinge allein durch den Geist zu bewegen. Es war Kalikas Blut, das mir diese Fähigkeit gegeben hat, und meine Tochter ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal geboren. Doch meine Tochter hat ihr Blut gegeben, um das Kind zu retten, ihr Leben für das des Jungen. Und das Blut des Kindes in einer früheren Wiedergeburt hat sich einst an diesem Nagel befunden. Man kann also durchaus eine Beziehung herstellen. Ohne Zweifel befinden sich immer noch Partikel vom Blut Christi an diesem Metall, und sei es nur tief in den Ritzen zwischen den einzelnen Atomen.
Auf dieses unsichtbare Blut konzentriere ich mich. Noch immer glaube ich daran, daß dieses Blut Wunder tun kann. Mein Glaube gründet sich auf Erfahrung. Ich habe gesehen, wie dieses Blut einen Freund von mir wieder lebendig gemacht hat. Mein Glaube ist stärker als die bösen Zauber der Dämonen, stärker als blutige Pentagramme auf verlassenen Klippen. Ich habe einen entsetzlichen Fehler gemacht, als ich das Herz des Mädchens genommen habe, doch jetzt bin ich bereit, mein eigenes Herz dafür herzugeben. Und als Tauschgeschäft für mein Leben, für nur wenige Sekunden Zeit, erbitte ich für mich die Kraft, die meine Tochter mir schon gegeben hat. Ich bitte darum in Erinnerung an Kalika, die gewiß nicht wollen würde, daß ihre Mutter ohne jede letzte Chance auf einen Sieg untergeht.
Ja, ich habe tatsächlich die Stirn, Gott daran zu erinnern, daß er mir etwas für das Opfer meiner Tochter schuldig ist. Und ich glaube fest daran, daß er mich jetzt hören kann.
Mein Glaube ist stärker als Stein.
Landulf erhebt den Speer. »Du solltest dich besser beeilen.«
Ich spüre, wie mein Geist den Nagel berührt.
»Ja,«, flüstere ich, »beeil dich.«
Ich spüre, wie mein Herz ihn berührt. Ihn liebkost.
Und ich weiß ohne jeden Zweifel, daß er einst Jesus berührt hat.
Landulf schultert den Speer. »Du wirst jetzt sterben, Sita.«
Der Nagel erzittert. Doch meine Hand bleibt sicher, genau wie mein Blick.
Eine Kraft, die von außerhalb des Kreises kommt, ergreift mich.
»Nein«, sage ich. »Du wirst sterben.«
Landulf setzt an, den Speer zu werfen.
Der Nagel löst sich aus meiner Hand, fliegt auf ihn zu und trifft ihn in die Stirn.
Zwischen die Augenbrauen. Durch einen Fluß aus Blut starrt er mich an.
»Du«, sagt er und läßt den Speer fallen.
Ich springe an seine Seite und fange die Waffe, bevor sie den Boden berührt.
Der Nagel hat seinen Weg gefunden.
»Ich nehme zurück, was ich eben gesagt habe«, erkläre ich. »Du bist doch nicht so klug.«
Ich bohre ihm den Speer ins Herz, und sein Blut spritzt heraus auf die Mitte des Pentagramms, wo es sich merkwürdigerweise auflöst, noch bevor es den Boden berührt. Ein letztesmal versucht er zu sprechen, vermutlich um meine Seele für alle Zeit zu verfluchen, doch mit dem Speer, der ihn durchbohrt hat, und den Nagel in seinem Gehirn stolpert er blindlings vor sich hin. Er begeht den Fehler, die Mitte des fünfzackigen Sterns zu betreten, den er mit dem Blut seiner Frau gezeichnet hat, und plötzlich geschieht etwas Schreckliches. Mit einem entsetzlichen Geräusch werden Kleidung und Fleisch gleichzeitig von seinen Knochen gerissen. Einen Moment lang wirkt er wie ein Leichnam nach einer grauenvollen, mißglückten Autopsie. Dann ergreifen unsichtbare Klauen seinen Kopf, und er wird hin und her geschüttelt. Schließlich löst er sich ganz auf, wofür ich so dankbar bin, daß ich auf die Knie falle und vor Erleichterung weine.
Den Nagel und den Speer lasse ich dort liegen, wo sie aus seinem Körper gefallen sind. Sie liegen in der Mitte des Kreises. Ich weiß, daß die Macht des Zirkels für immer gebrochen ist.
Schließlich klettere ich die Klippe hinunter und gehe zum Ozean. Ich schwimme an den Horden von Moslems vorbei, die mich bloß entsetzt anstarren, als ich, vom Blut ihres toten Wohltäters überströmt, auf den Strand trete. Vielleicht haben sie Angst, mich zu berühren, ich weiß nicht. Jedenfalls müssen sie irgendwelche Geschichten über Landulfs Schloß gehört haben.
Den Ort, an dem Magie ausgeübt wurde.
Ich bin mitten zwischen den Truppen hindurchgeschwommen.
Das Wasser ist klar und dehnt
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