Geschöpfe Der Ewigkeit
gelesen oder sie erraten? »Die Spitze ist bloß ein Gegenstand, durch den sich das Schicksal erfüllt. In den Händen eines Heiligen könnte sie dazu verwendet werden zu heilen. In meinen Händen ist sie nur ein Werkzeug, das mich der Unsterblichkeit ein Stück näher bringt.«
»Ihr seid nicht unsterblich!« schleudere ich ihm entgegen.
»Aber ich werde es schon bald sein. In wenigen Augenblicken. Sobald ich deine Hüfte mit diesem Speer ritze und dein Blut in meinen Körper fließen lasse.«
»Das hättet Ihr schon tun können, als ich bewußtlos war.«
»Nein. Um die volle Kraft deines Blutes zu erhalten, muß ich es an diesem machtvollen Ort fließen lassen. Du mußtest ihn aus freiem Willen betreten, nachdem du einen Unschuldigen geopfert hattest. Alles, was geschehen ist, hatte nur den Zweck, dich bis hierhin zu bringen.« Er zögert. »Natürlich weiß ich, daß du aus der Zukunft gekommen bist.«
Er versetzt mir einen Schock nach dem anderen.
»Woher wißt Ihr das?« keuche ich.
»Weil auch ich aus der Zukunft komme.«
»Kenne ich Euch von dort?«
»Ja.«
»Wer wart Ihr?«
»Lindas Freund. Ich war derjenige, der dich in die Wüste geschickt hat.«
»Der schmierige Fettwanst?«
Er wirkt nicht beleidigt. »Es war eine perfekte Tarnung.«
Ich nicke bewundernd.
»Ihr seid wirklich klug. Klüger als jeder andere Feind, den ich jemals hatte.«
Diese Bemerkung schmeichelt ihm. Er senkt den Speer.
»Danke. Auch du warst eine würdige Gegnerin. Warum sollen wir es nicht in Würde beenden? Wenn du aufhörst, dich mir zu widersetzen, würde ich dir das nur zu gern zugestehen.«
Ich seufze. »Was also soll ich tun?«
»Steh einen Augenblick still. Ich brauche wirklich nicht viel von deinem Blut.«
»Was werdet Ihr mit mir tun?«
»Ich werde dein Blut nehmen. Ich brauche es. Aber du wirst nicht leiden. Das verspreche ich dir.«
Ich überlege. »In Ordnung. Ich werde unter zwei Bedingungen nachgeben.«
»Welche Bedingungen?«
»Ich möchte meine Venen selbst öffnen. Und ich möchte dazu den Nagel verwenden, der sich am Kreuz befand, derjenige, der jetzt an die Speerspitze gebunden ist.«
»Warum ausgerechnet den Nagel?« fragt er.
»Ihr sagtet, daß er durch Jesus’ Hand oder Fuß gestoßen war. Wenn ich schon sterben muß, möchte ich es durch diesen Nagel tun.« Leiser füge ich hinzu:
»Auf diese Weise werde ich mich ihm näher fühlen.«
Landulf überlegt. »Das wird dich nicht vor dem retten, was dir bevorsteht. Du befindest dich längst in meinem Kreis. Christi Macht zeigt hier keine Wirkung.
Das solltest du mir glauben.«
»Vielleicht. Aber ich bleibe bei diesen zwei Bedingungen.« Ich zucke mit den Schultern. »Schließlich verlange ich nicht viel.«
Er zögert noch immer. »Du könntest versuchen, den Nagel als Waffe zu benutzen. Du könntest mit ihm auf mich werfen.«
»Wärt Ihr in der Lage, einen solchen Wurf abzufangen?«
»Ja.«
»Warum fürchtet Ihr ihn dann?«
»Ich fürchte ihn nicht. Hier in meinem Herrschaftsbereich fürchte ich nichts.«
»Dann werft mir den Nagel, Furchtloser!«
»Machst du dich über mich lustig?«
»Ich glaube, in der Zukunft nennt man so etwas eher einen Flirt.«
Er zögert.
»Ich muß es nicht tun. Ich würde dich trotzdem dazu bringen, mir Gehorsam zu leisten.«
»Vermutlich. Aber ganz genau weiß man so etwas nie.«
»Glaubst du, daß dich der Talisman beschützt? Trotz allem, was ich dir erklärt habe?«
»Nein, wenn Ihr das vermutet, irrt Ihr Euch.«
»Dann belügst du mich. Du hast nicht vor, deinen Teil der Vereinbarung einzuhalten.«
Ich lache laut auf. »Haltet Ihr mich für eine solche Närrin? Ihr habt nichts zu verlieren, wenn Ihr mir vertraut.« Ich erhasche seinen Blick und lasse die ganze Kraft meines Willens spielen. »Als Unsterblicher werdet Ihr nicht sehr erfolgreich sein, wenn Ihr solche Angst habt, Landulf.«
Damit habe ich den richtigen Knopf betätigt.
Vielleicht den einzigen.
Er haßt es, wenn man ihn einen Narren nennt.
Prompt beginnt er den Draht aufzuwickeln, der den Nagel an der Speerspitze befestigt.
»Wenn du den Nagel hast, wirst du deine Venen unverzüglich öffnen!«
befiehlt er. »Ich werde keine Verzögerungen dulden.«
»Ich werde Eure Zeit nicht verschwenden«, verspreche ich.
Der Nagel löst sich vom Speer. Landulf wirft ihn mir hinüber.
»Christliches Brimborium«, erklärt er bitter.
Ich nehme den Nagel in die rechte Hand, lasse die Spitze auf Landulf weisen und starre ihn an. Zu
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