Geschöpfe Der Ewigkeit
nicht mit reinem Gewissen in die Zukunft zurückkehren können.
»Dante«, sage ich. »Schau mich an.«
Er blinzelt.
»Herrin?«
»Sieh mich an, mein Freund. Hör mich an. Du brauchst keine Angst zu haben vor meinem Blut. Es ist ein Geschenk Gottes. Ein paar Tropfen werden aus-reichen, damit du dich besser fühlst, und Gott möchte, daß du dich besser fühlst, nach allem, was du in seinem Namen durchgemacht hast.«
Er wirkt plötzlich wie in einem Traum gefangen. »Ja, meine Dame.«
»Also schließ jetzt deine Augen, und stell dir vor, wie wundervoll es sein wird, wenn du geheilt bist. Wie schön es sein wird, daß die Leute bei deinem Anblick nicht mehr davonlaufen, weil sie Angst vor deiner Lepra haben. Dante, mein Lieber, ich verspreche dir, daß die Krankheit in wenigen Minuten verschwunden sein wird.«
»Sie wird verschwunden sein«, wiederholt er leise und mit geschlossenen Augen.
»Gut.« Ich strecke die Hand aus. »Laß deine Augen zu, und gib mir deine Hand. Ich werde dich zu dem Teich führen, deine Wunden waschen und dann etwas daraufsprenkeln, damit sie heilen.«
»Heilen«, murmelt er. Doch als ich versuche, ihn zum Wasser zu führen, versteift er sich, obwohl seine Augen noch immer geschlossen sind. Noch immer steht er unter meinem Einfluß, zumindest glaube ich das.
»Nein«, sagt er.
Meine Stimme klingt sanft: »Was ist los?«
»Ich kann nicht in den Teich gehen.«
»Du wirst nicht in den Teich gehen, nur ans Ufer. Ich muß dich waschen.«
»Ich kann im Wasser ertrinken«, wendet er ein.
Jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt mir auf, daß ich Dante niemals dabei gesehen habe, wie er sich an einem Gewässer gereinigt hat. Vermutlich ist das einer der Gründe dafür, warum er so übel riecht.
»Ich werde dich nicht ertrinken lassen. Du kannst gar nicht hineinfallen.«
»Nein«, beharrt er.
Er scheint unter meinem Einfluß zu sein, trotzdem sträubt er sich gegen mich.
Ich erinnere mich an einen Zeitpunkt, als ich eine Information aus ihm heraus-holen wollte und es ihm gelang, mir auszuweichen, obwohl er sich in hypnotischer Trance befand. Irgend etwas ist da in seiner Seele, das es mir unmöglich macht, ganz in ihn hineinzusehen. Selbst unter Einsatz alle meiner Fähigkeiten gelingt es mir nicht gänzlich, in seinem Geist zu lesen.
Doch genau das muß ich tun können.
»Was hältst du davon, dich auf dem Felsen auszuruhen, auf dem du eben gesessen hast?« schlage ich vor. »Dann hole ich ein wenig Wasser, um dich damit zu reinigen. Wärst du damit einverstanden?«
Er nickt mit geschlossenen Augen.
»Ich bleibe auf dem Felsen sitzen und bin einverstanden.«
Ich führe ihn zu dem Stein zurück. Als er sich darauf niederläßt, streiche ich ihm über den Kopf. »Ich werde mein Hemd ins Wasser tauchen«, sage ich.
»Dann werde ich damit vorsichtig deine Wunden reinigen. Du wirst keine Schmerzen haben. Du wirst nichts spüren als Erleichterung. Verstehst du mich, Dante?«
»Ich verstehe«, flüstert er.
Ich lasse ihn los. »Ich werde dich ein paar Sekunden allein lassen. Bleib ruhig hier sitzen.«
Er seufzt. »Ruhig.«
Der Teich liegt still da, stiller als zuvor. Wie die Oase in der Wüste, so spiegelt auch er den Himmel. Auf seiner Oberfläche sehe ich so viele Sterne, daß es mir fast wie eine Sünde erscheint, die Ruhe der kühlen Flüssigkeit durch mein Eingreifen zu stören. So wie jetzt habe ich hier schon einmal gestanden.
Beim letztenmal habe ich Dante mein Blut gegeben und ihn geheilt auf den Weg geschickt. Damals wie jetzt war es Liebe, die mich zu meinem Tun veranlaßte.
Ohne Zweifel hat er mein Blut und mein Vertrauen verdient.
Ich beuge mich nieder, um mein Hemd zu befeuchten, aber halte plötzlich inne.
Ich kann nicht aufhören, auf eine bestimmte Sternenkonstellation zu starren, die sich im Wasser spiegelt. Es ist Andromeda, und ich habe diese Konstellation niemals zuvor so klar gesehen. Fast kann ich mir vorstellen, Perseus’ Frau zu sehen, die an die Felsen gekettet ist, während sich langsam der Titan nähert, der durch dieses Menschenopfer beschwichtigt werden soll. Genauso wie auch Landulf junge Frauen angekettet und geopfert hat, um seiner eigenen Schlechtigkeit zu dienen. Es ist unglaublich: Als ich genauer hinschaue, sehe ich Perseus zu ihr kriechen, um sie zu retten – Perseus mit dem Kopf der Medusa, den er verborgen in der Tasche bei sich trägt. Er wird ihn erst im letzten Moment herzeigen, wenn der Titan nicht mehr ausweichen kann. Perseus
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