Geschöpfe Der Ewigkeit
sich noch dagegen wehren kann. Das Wasser hat sich noch nicht wieder vollständig beruhigt, nachdem ich es aufgewühlt habe, aber die Oberfläche ist glatt genug, um ein Bild zu zeigen. Kein Wunder, daß er nicht mit mir zum Teich gehen wollte. Denn sein Spiegelbild im Wasser zeigt keineswegs ein zerstörtes, von Krankheit zerfressenes Gesicht.
Statt dessen ist er schöner als jeder andere Mensch.
So schön, daß er fast eine Göttin sein könnte.
Ich zucke zurück und beginne am ganzen Körper zu zittern.
»Landulf«, keuche ich, »Ihr wart es. Die ganze Zeit über wart Ihr bei mir.«
Der andere Landulf war bloß eine Marionette. Nur der Jünger des wahren Herren, Dante. Der Herzog im Schloß war nicht echt.
Die wirkliche Macht besaß Dante.
Dante war Landulf.
Er starrt lange auf sein Bild im Wasser, bevor er antwortet. Vielleicht hat er sein Spiegelbild lange Zeit nicht gesehen, wer weiß. Als er schließlich spricht, klingt seine Stimme ungewöhnlich sanft, ganz ähnlich wie zuvor, nur kraftvoller. Sie drückt das Selbstvertrauen eines Menschen aus, der schon lange Herr seines Schicksals ist. Er strafft die Schultern, während er spricht, ganz so als ob seine körperliche Krankheit keine Macht über ihn habe. Aber ich bin nicht sicher, ob das wirklich so ist. Seine Stimme ist voller Autorität, aber gleichzeitig meine ich Enttäuschung herauszuhören.
»Ich hätte wissen müssen, daß du klüger zurückkommst«, sagt er. »Letztes Mal war es nicht schwer, dich hereinzulegen. Aber jetzt hast du mich hereingelegt.« Er seufzt. »Du bist erwachsener und stärker geworden in den letzten tausend Jahren, Sita.«
»Weil ich Wissen dem Mitleid vorziehe?« frage ich.
Er blickt mich an. »Gewissermaßen. Menschen bestehen leichter eine Prüfung, in der es um Liebe geht, als eine Prüfung, bei der ihr Wissen gefragt hat. Denn Liebe überdeckt oft jedes Wissen.«
Ich schüttele bitter den Kopf. »Ihr habt nicht das Recht, mir gegenüber von Liebe zu sprechen.«
Er weiß, daß er hereingelegt worden ist, aber es gelingt ihm trotzdem zu lächeln. »Wenn ich dich nicht liebe, bewundere ich dich doch zumindest«, erklärt er. »Bewunderung ist für jemanden wie mich der Liebe schon sehr nahe.
Und sie genügt mir. Ich habe die Liebe, nach der ihr alle ständig sucht, noch niemals vermißt.«
»Damit wollt Ihr sagen, daß ich etwas von Euch lernen kann. Aber Ihr irrt Euch.«
»Aber du hast Dantes Liebe genossen.«
»Ich habe mich auf diesem Pfad nur verlaufen. Ihr jedoch seid verloren.«
»Vielleicht.« Er zögert. »Wie bist du darauf gekommen?«
»Parsival. Ich habe ihn vor dem Zweiten Weltkrieg in Wien aufgeführt gesehen. Die Rolle des Klingsor glich Landulf vollständig, Klingsor war Landulf. Der Papst hatte ihn kastriert.« Ich blicke ihn höhnisch an. »Auf der Bühne heißt es, daß er vollständig glatt war zwischen den Beinen.«
Eine Welle der Wut gleitet über sein Gesicht, aber er hat sich schnell wieder unter Kontrolle. »Du hast wirklich ein hervorragendes Gedächtnis. Kein Zweifel, daß mir im Hinblick auf dich auch noch andere Fehler unterlaufen sind.«
»Ja. Aber etwas verwirrt mich: Warum habt Ihr mir den Hinweis mit dem Kopf der Medusa gegeben?«
»Es war unabdingbar. Damit du vollständig mein werden konntest, mußtest du zuvor von mir gewarnt werden. Der freie Wille funktioniert in beide Richtungen, rechts und links. Erst als du das Mädchen absichtlich und aus vollem Willen getötet hast, war sicher, daß du mich hier treffen würdest.«
»Es war alles arrangiert? Die ganze Sache war arrangiert?«
»Ja.«
»Und wenn ich Euch bewußt und aus freiem Willen mein Blut gegeben hätte, hätte ich die dritte Hürde genommen.«
»Genau. Ich hätte hervorragende Verwendung für dein Blut gefunden.«
Ich seufze. »Nun, ich glaube nicht, daß Ihr es unter diesen Umständen bekommen werdet.«
Er starrt mich an. Ich sehe ihn jetzt klar vor mir, seine übernatürliche Schönheit, seine Ausstrahlung. Doch er hat noch immer Lepra.
»Du irrst dich«, entgegnet er sanft.
Ich trete einen Schritt zurück. »Ihr werdet bald sterben. Ihr braucht mein Blut, um noch ein paar Tage zu leben. Eure schlechten Taten haben Euch zu einem Aussätzigen gemacht.«
Er macht einen Schritt in meine Richtung. »Das ist richtig. Die Arbeit hat ihren Preis. Aber ich brauche dein Blut, um diesen meinen Körper zu erhalten und meine Arbeit in der Dimension der dritten Dichte fortzuführen. Doch diesmal werde ich nicht in
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